Außenansicht des Bundessozialgerichts in Kassel.

Die Geneh­mi­gungs­fik­ti­on – was hat sich wie entwickelt?

Am 18.05.2014 hat­te ich das ers­te Mal über das Pati­en­ten­rech­te­ge­setz geschrie­ben. Seit dem hat sich eine gan­ze Men­ge des anfangs bestehen­den Nebels gelich­tet. Es sind auch schon sicher­lich rund ein Dut­zend Ver­fah­ren vom Bun­des­so­zi­al­ge­richt ent­schie­den wor­den. Das Bun­des­so­zi­al­ge­richt hat sich hier – durch­aus über­ra­schend, wenn­gleich aber erfreu­lich – sehr pati­en­ten­freund­lich positioniert.

Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­so­zi­al­ge­richts gilt § 13 Abs. 3a SGB V immer, dann wenn ein fik­ti­ons­fä­hi­ger Antrag vor­liegt und die Kas­se nicht inner­halb der Frist von 3 Wochen (wenn sie sel­ber ent­schei­den kann) oder 5 Wochen (wenn sie den MDK mit einer Begut­ach­tung beauf­tragt) entscheidet.

Auf den rich­ti­gen Antrag kommt es an.

Fik­ti­ons­fä­hig ist ein Antrag dann, wenn er hin­rei­chend klar for­mu­liert ist, sich also ohne Zwei­fel ergibt, was der Pati­ent genau bean­tragt hat. Das ist nach­voll­zieh­ba­rer­wei­se sehr wich­tig, da der Antrag dann den Ver­wal­tungs­akt mit der Bewil­li­gung des Hilfs­mit­tels ersetzt – einen sol­chen fin­giert –, aber kein Ver­wal­tungs­akt zu sei­ner Aus­füh­rung mehr erlas­sen wird. Der Antrag hat dann exakt die­sel­be Wir­kung, wie ein tat­säch­lich erlas­se­ner Ver­wal­tungs­akt. Es soll­te daher nicht „eine Insu­lin­pum­pe“ bean­tragt wer­den, son­dern „die Insu­lin­pum­pe des Her­stel­lers A, B‑Bezeichnung“, ggf. kann auch die Hilfs­mit­tel­num­mer ange­ge­ben wer­den. Als Gegen­pro­be soll­te man sich fra­gen, kann ein völ­lig unbe­tei­lig­ter Drit­ter genau erken­nen, was kon­kret bean­tragt wur­de. Wenn das mög­lich ist, ist der Antrag fiktionsfähig.

Was ist, wenn ich die Ster­ne beantrage?

Anhand der BSG-Recht­spre­chung scheint es aber so zu sein, dass dies nicht ein­schrän­kungs­los funk­tio­niert. Inso­weit darf der Pati­ent wohl nicht bös­gläu­big sein, er muss den­ken, dass es sich um eine Leis­tung der GKV han­delt. Dies war häu­fig strei­tig bei medi­zi­ni­schem Can­na­bis oder Anträ­gen auf Durch­füh­rung einer Lipo­suk­ti­on (Fett­ent­fer­nung). Das BSG hat aber auch dies sehr pati­en­ten­freund­lich gelöst und kommt hier zu dem Ergeb­nis, dass jeden­falls dann, wenn eine ärzt­li­che Ver­ord­nung vor­liegt, kein Zwei­fel des Pati­en­ten bestehen muss, dass es sich um eine Leis­tung der GKV handelt.

Wann ist die Frist ein­ge­hal­ten, wenn die Behör­de inner­halb der Frist ent­schei­det oder wenn ich die Ent­schei­dung inner­halb der Frist erhalte?

Bei der Fra­ge, ob die Frist ein­ge­hal­ten ist oder nicht, kommt es dann auch nicht dar­auf an, wann die Kran­ken­kas­se ent­schie­den hat (so eini­ge Instanz­ge­rich­te), son­dern, wann die Ent­schei­dung dem Pati­en­ten bekannt gege­ben wur­de (BSG, Urteil vom 11.07.20171 KR 26/16 R, Rn. 29 ff.).

„Die Frist ende­te am Mitt­woch, dem 7.1.2015 (§ 26 Abs 1 SGB X iVm § 188 Abs 2 BGB). Nach dem auf­ge­zeig­ten Rege­lungs­sys­tem galt die gesetz­li­che Drei-Wochen-Frist (vgl § 13 Abs 3a S 1 Fall 1 SGB V). Denn die Beklag­te infor­mier­te die Klä­ge­rin in der erfor­der­li­chen Form weder inner­halb der drei Wochen nach Antrags­ein­gang dar­über, dass sie eine Stel­lung­nah­me des MDK ein­ho­len woll­te (vgl § 13 Abs 3a S 2 SGB V), noch über Grün­de für eine Frist­über­schrei­tung (§ 13 Abs 3a S 5 SGB V). Ohne die­se gebo­te­ne Infor­ma­ti­on kann der Leis­tungs­be­rech­tig­te nach Ablauf von drei Wochen anneh­men, dass sein Antrag als geneh­migt gilt (vgl BSGE 121, 40 = SozR 42500 § 13 Nr 33, RdNr 28). Maß­geb­lich ist – wie im Fal­le der Ent­schei­dung durch einen bekannt­zu­ge­ben­den Ver­wal­tungs­akt – der Zeit­punkt der Bekannt­ga­be gegen­über dem Antrag­stel­ler, nicht jener der behör­den­in­ter­nen Ent­schei­dung über die Infor­ma­ti­on (vgl §§ 39, 37 SGB X; BSGE 121, 40 = SozR 42500 § 13 Nr 33, RdNr 28; unzu­tref­fend Baye­ri­sches LSG Beschluss vom 25.4.20165 KR 121/16 B ER – Juris RdNr 26).“ (vgl. exem­pla­risch, BSG, Urteil vom 11.07.20171 KR 26/16 R, Rn. 29).

Die „Bekannt­ga­be“ des (ableh­nen­den) Ver­wal­tungs­ak­tes ist ein tech­ni­scher Begriff auf dem Ver­wal­tungs­akt. Grund­sätz­lich erfolgt die Bekannt­ga­be im Sin­ne von § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB X durch Über­sen­dung eines Brie­fes an den Antrag­stel­ler. Bekannt gege­ben ist der Ver­wal­tungs­akt dann, wenn der Antrag­stel­ler den Brief in sei­nem Brief­kas­ten vor­fin­den könn­te. Er also dort ein­ge­wor­fen oder an die Per­son sel­ber über­ge­ben wur­de. Ist der Zeit­punkt unklar, etwa weil kei­ner sich die Mühe gemacht hat, sich das zu mer­ken, gilt der Brief 3 Tage nach sei­ner Absen­dung als zuge­gan­gen und der Ver­wal­tungs­akt als bekannt gege­ben (§ 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X, bleibt das strei­tig, muss die Behör­de aber den genau­en Tag der Bekannt­ga­be bewei­sen § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X). Das ist eine Fik­ti­on aus Zei­ten es Post­mo­no­pols, in der heu­ti­gen Zeit mit diver­sen – im höchs­ten Maße unzu­ver­läs­si­gen – pri­va­ten Post­dienst­leis­tern, die nicht bun­des­weit zustel­len, ist das eine Fik­ti­on aus den Geschichtsbüchern.

Ver­län­ge­rung der 3‑Wochenfrist auf 5 Wochen.

Eine Infor­ma­ti­on muss dem Antrag­stel­ler zwin­gend inner­halb der 3 Wochen­frist zuge­hen. Grund­sätz­lich muss die Kran­ken­kas­se näm­lich bin­nen 3 Wochen nach Ein­gang des Antrags ent­schei­den. Kann sie das nicht, etwa, weil medi­zi­ni­sche Vor­aus­set­zun­gen zu klä­ren sind, kann und muss die Kran­ken­kas­se den MDK mit der Begut­ach­tung beauf­tra­gen. Das macht der MDK in aller Regel nach Akten­la­ge. So dann ver­län­gert sich die Frist auf 5 Wochen nach Antrags­ein­gang bei der Kran­ken­kas­se. Aller­dings nur, wenn inner­halb er ers­ten 3 Wochen ein Brief der Kran­ken­kas­se bei dem Pati­en­ten ein­geht, aus dem sich ergibt, dass der MDK nun­mehr mit der Begut­ach­tung beauf­tragt wur­de und des­we­gen die 5‑Wochenfrist gilt. Wür­de man auf die­se Infor­ma­ti­on ver­zich­ten, wüss­te der Antrag­stel­ler näm­lich nach Ablauf der 3‑Wochenfrist nicht, ob nun die Geneh­mi­gungs­fik­ti­on ein­ge­tre­ten ist oder nicht (vgl. BSG, Urteil vom 11.07.20171 KR 26/16 R, Rn. 25). Sodann muss eine Ent­schei­dung inner­halb von 5 Wochen – gerech­net ab Antrags­ein­gang bei der Kas­se – bei dem Antrag­stel­ler eingehen.

Kann auch aus ande­ren Grün­den eine Ver­län­ge­rung der Frist erfolgen?

Ja, ins­be­son­de­re, wenn die Unter­la­gen nicht voll­stän­dig sind (vgl. BSG, Urteil vom 11.07.20171 KR 26/16 R, Rn. 26). Es muss der Kran­ken­kas­se dann gestat­tet sein, wei­te­re medi­zi­ni­sche Unter­la­gen anzu­for­dern. Dies ins­be­son­de­re auch, weil die Ärz­te wegen des abge­schaff­ten Umschlags­ver­fah­rens medi­zi­ni­sche Unter­la­gen nur noch dann an den MDK schi­cken dür­fen, wenn die Kran­ken­kas­se den MDK beauf­tragt und dem Ver­si­cher­ten ein Vor­blatt ver­schickt hat. Dies ist erfor­der­lich, da der MDK nur so die Unter­la­gen zuord­nen kann und die­se ande­ren­falls ver­nich­tet. Frü­her wur­den die Unter­la­gen direkt in einem ver­schlos­se­nen Umschlag an die Kran­ken­kas­se ver­schickt, die­ses Vor­ge­hen ist expli­zit nicht mehr zuläs­sig. Die Kran­ken­kas­se muss dann für die Frist­ver­län­ge­rung einen hin­rei­chen­den Grund nen­nen und tag­ge­nau mit­tei­len, wann die neue Frist aus­läuft. Wich­tig: Ver­wal­tungs­in­ter­ne Grün­de (hoher Kran­ken­stand, Urlaubs­zeit) rei­chen selbst­ver­ständ­lich nicht als hin­rei­chen­der Grund.

Was bedeu­tet taggenau?

Nach der Recht­spre­chung des BSG reicht es nicht aus, wenn man ein­fach nur mit­teilt, dass man die Frist nicht ein­hal­ten kann. Dem Grund ent­spre­chend kann nur eine ange­mes­se­ne Frist­ver­län­ge­rung erfol­gen. Dazu muss eine neue Frist mit­ge­teilt wer­den, die­se muss tag­ge­nau den Ablauf ange­ben, weil auch nur so sicher­ge­stellt wer­den kann, dass der Ver­si­cher­te weiß, ob nun die Geneh­mi­gungs­fik­ti­on ein­ge­tre­ten ist oder nicht. Die Frist kann – mit neu­en hin­rei­chen­den Grün­den – ver­län­gert wer­den, dazu muss dem Pati­en­ten wie­der­um inner­halb der alten Frist eine Infor­ma­ti­on zuge­hen. Die­se Infor­ma­tio­nen müs­sen schrift­lich erfolgen:

„Die Beklag­te infor­mier­te in ihrem Tele­fo­nat mit der Klä­ge­rin, in dem sie ein Ernäh­rungs­ta­ge­buch sowie Ultra­schall­be­fun­de der Neben­nie­ren und der Schild­drü­se anfor­der­te, auch nicht form­ge­recht über einen hin­rei­chen­den Grund für die Über­schrei­tung der Frist und deren vor­aus­sicht­li­che, tag­ge­nau bestimm­te Dau­er. Die Mit­tei­lung min­des­tens eines hin­rei­chen­den Grun­des bewirkt für die von der KK pro­gnos­ti­zier­te, tag­ge­nau anzu­ge­ben­de Dau­er des Bestehens zumin­dest eines sol­chen Grun­des, dass die Leis­tung trotz Ablaufs der Frist noch nicht als geneh­migt gilt. Stellt sich nach Mit­tei­lung einer ers­ten, sach­lich gerecht­fer­tig­ten Frist her­aus, dass die­se zunächst pro­gnos­ti­zier­te Frist sich aus hin­rei­chen­den Sach­grün­den als zu kurz erweist, kann die KK zur Ver­mei­dung des Ein­tritts der Geneh­mi­gungs­fik­ti­on dem Antrag­stel­ler vor Frist­ab­lauf die hin­rei­chen­den Grün­de mit der geän­der­ten tag­ge­nau­en Pro­gno­se erneut – ggf wie­der­holt – mit­tei­len. Erst nach Ablauf der letz­ten, hin­rei­chend begrün­de­ten Frist erwächst das sich aus dem Antrag erge­ben­de Begeh­ren kraft Geneh­mi­gungs­fik­ti­on in einen Anspruch auf Natu­ral­leis­tung, wenn die KK dem Antrag­stel­ler kei­ne Ent­schei­dung zur Sache bekannt­ge­ge­ben hat (vgl BSGE 121, 40 = SozR 42500 § 13 Nr 33, RdNr 20).

Ohne eine tag­ge­naue Ver­län­ge­rung der Frist könn­te der Antrag­stel­ler nicht erken­nen, wann die Fik­ti­on der Geneh­mi­gung ein­ge­tre­ten ist. Dies wider­sprä­che dem dar­ge­leg­ten Rege­lungs­ge­halt und Beschleu­ni­gungs­zweck der Norm (vgl rechts­ähn­lich BGH Urteil vom 20.4.2017III ZR 470/16 – Juris RdNr 40 zu § 42a Abs 2 S 3 LVwVfG <Baden-Würt­tem­berg>; unzu­tref­fend Hes­si­sches LSG Urteil vom 23.2.20178 KR 372/16 – Juris RdNr 23; LSG Baden-Würt­tem­berg Urteil vom 21.2.201711 KR 2090/16 – Juris RdNr 29; Säch­si­sches LSG Beschluss vom 6.2.20171 KR 242/16 B ER – Juris RdNr 44). Hier­für genügt eine Mit­tei­lung ent­we­der des neu­en, kalen­da­risch bestimm­ten Fris­ten­des oder des kon­kre­ten Ver­län­ge­rungs­zeit­raums in der Wei­se, dass der Antrag­stel­ler ohne Schwie­rig­kei­ten das Fris­ten­de tag­ge­nau berech­nen kann.

Die Beklag­te gab nach den Fest­stel­lun­gen des LSG in dem Tele­fo­nat nicht in die­sem Sin­ne tag­ge­nau ein Fris­ten­de an, son­dern ihre Ermitt­lungs­wün­sche. Zudem genügt die (fern-) münd­li­che Infor­ma­ti­on nicht der Schrift­form (§ 13 Abs 3a S 5 SGB V).“ (vgl. BSG, Urteil vom 11.07.20171 KR 26/16 R, Rn. 31 ff.).

Tag­ge­nau heißt, es muss ein Tag für das Ende der Frist ange­ge­ben sein. Bei­spiels­wei­se so:

Wir benö­ti­gen von Ihnen wei­te­re Unter­la­gen, um über Ihren Antrag ent­schei­den zu kön­nen. Wir bit­ten Sie daher fol­gen­de Unter­la­gen bis zum xx.xx.xxxx einzureichen:

- A
- B
- C

Wir wer­den dann ent­schei­den, unse­re Ent­schei­dung erhal­ten Sie spä­tes­tens am xx.xx.xxxx.

Kei­ne Geneh­mi­gungs­fik­ti­on im Widerspruchsverfahren!

Wie bereits befürch­tet, gilt § 13 Abs. 3a SGB V (Geneh­mi­gungs­fik­ti­on) nicht Wider­spruchs­ver­fah­ren (vgl. BSG, Urteil vom 24.04.2018 – 1 KR 10/17 R, Rn. 9).

„Uner­heb­lich ist, dass die Beklag­te den Wider­spruch der Klä­ge­rin vom 18.7.2014 erst mit Wider­spruchs­be­scheid vom 21.1.2015 zurück­wies. § 13 Abs 3a SGB V und die dar­in nor­mier­ten Fris­ten zur Ent­schei­dung über den Leis­tungs­an­trag des Ver­si­cher­ten sind nicht ent­spre­chend auf den hier­auf bezo­ge­nen nach­fol­gen­den Wider­spruch des Ver­si­cher­ten anwend­bar (so aber Vogl, NZS 2014, 210). Die als Aus­nah­me­re­ge­lung eng aus­zu­le­gen­de Vor­schrift erfasst schon nach ihrem Wort­laut ledig­lich die Ent­schei­dung der KK über den Leis­tungs­an­trag. Die Fris­ten lau­fen ab Antrags­ein­gang (vgl § 13 Abs 3a S 1 SGB V). Zweck des § 13 Abs 3a SGB V ist es über­dies, die Bewil­li­gungs­ver­fah­ren bei den KKn zu beschleu­ni­gen und damit eine schnel­le Klä­rung der Leis­tungs­an­sprü­che her­bei­zu­füh­ren (vgl Ent­wurf der Bun­des­re­gie­rung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 S 32; vgl auch Beschluss­emp­feh­lung und Bericht des Aus­schus­ses für Gesund­heit <14. Aus­schuss> zu dem Ent­wurf eines PatRVerbG der Bun­des­re­gie­rung, BT-Drucks 17/11710 S 29 f; vgl BSG Urteil vom 11.7.20171 KR 26/16 R – Juris RdNr 26 mwN, zur Ver­öf­fent­li­chung in BSGE und SozR 42500 § 13 Nr 36 vor­ge­se­hen; BSG Urteil vom 7.11.20171 KR 24/17 R – Juris RdNr 16, 30, für BSG und SozR vor­ge­se­hen). Die­ser Zweck ist mit der Ent­schei­dung der KK über den Leis­tungs­an­trag inner­halb der ab Antrag­stel­lung lau­fen­den Frist erreicht. Grund­lo­se Ver­zö­ge­run­gen im Wider­spruchs­ver­fah­ren unter­lie­gen allein den Sank­tio­nen der Untä­tig­keits­kla­ge (vgl § 88 Abs 2 SGG).“ (vgl. BSG, Urteil vom 24.04.2018 – 1 KR 10/17 R, Rn. 9).

Das bedeu­tet, dass es bei den Wir­kun­gen von § 88 SGG bleibt. Das kann – und wird – von eini­gen Kran­ken­kas­sen lei­der miss­braucht. Teil­wei­se wer­den die Leis­tungs­an­trä­ge ein­fach abge­lehnt, um dann im Wider­spruchs­ver­fah­ren erneut und in Ruhe prü­fen zu kön­nen. Im Wider­spruchs­ver­fah­ren gilt sodann eine Frist von 3 Mona­ten (§ 88 Abs. 2 SGG), wird die­se nicht ein­ge­hal­ten, kann man kla­gen, auch ohne einen Wider­spruchs­be­scheid erhal­ten zu haben. Eine wei­ter­ge­hen­de Sank­ti­on gibt es nicht, das Risi­ko für die Kran­ken­kas­se sind also allen­falls die Anwaltskosten.

Kann die Geneh­mi­gungs­fik­ti­on auf­ge­ho­ben wer­den (Rück­nah­me Widerruf)?

Theo­re­tisch ja, prak­tisch in der Regel nein. Eini­ge Kran­ken­kas­sen haben im Rechts­streit sinn­ge­mäß vor­ge­tra­gen. Ja, wir haben die Fris­ten aus § 13 Abs. 3a SGB V nicht ein­ge­hal­ten und ja, es mag eine Geneh­mi­gungs­fik­ti­on ein­ge­tre­ten sein, aber wir haben dann ja den Antrag abge­lehnt. Das reicht nach Auf­fas­sung des BSG nicht (vgl. BSG, Urteil vom 11.07.20171 KR 26/16 R, Rn. 35), ganz im Gegen­teil gel­ten die­sel­ben Maß­stä­be, als wenn die Kran­ken­kas­se den Ver­wal­tungs­akt sel­ber erlas­sen hät­te, die Hür­den sind dann recht hoch:

„Die ent­stan­de­ne Geneh­mi­gung ist auch nicht spä­ter erlo­schen. Auch eine fin­gier­te Geneh­mi­gung – wie jene der Klä­ge­rin – bleibt wirk­sam, solan­ge und soweit sie nicht zurück­ge­nom­men, wider­ru­fen, ander­wei­tig auf­ge­ho­ben oder durch Zeit­ab­lauf oder auf ande­re Wei­se erle­digt ist. Sind Bestand oder Rechts­wir­kun­gen einer Geneh­mi­gung für den Adres­sa­ten erkenn­bar von vorn­her­ein an den Fort­be­stand einer bestimm­ten Situa­ti­on gebun­den, so wird sie gegen­stands­los, wenn die betref­fen­de Situa­ti­on nicht mehr besteht. In die­sem Sin­ne ist eine KK nach Frist­ab­lauf nicht mit allen Ein­wen­dun­gen gegen die fin­gier­te Geneh­mi­gung aus­ge­schlos­sen. Die fin­gier­te Geneh­mi­gung schützt den Adres­sa­ten dadurch, dass sie ihre Wirk­sam­keit aus­schließ­lich nach den all­ge­mei­nen Grund­sät­zen über Erle­di­gung, Wider­ruf und Rück­nah­me eines begüns­ti­gen­den Ver­wal­tungs­akts ver­liert. Ihre Recht­mä­ßig­keit beur­teilt sich nach der Erfül­lung der oben auf­ge­zeig­ten Vor­aus­set­zun­gen (§ 13 Abs 3a SGB V), nicht nach den Vor­aus­set­zun­gen des gel­tend gemach­ten Natu­ral­leis­tungs­an­spruchs (BSGE 121, 40 = SozR 42500 § 13 Nr 33, RdNr 31; anders die Rege­lung des § 42a Abs 1 S 2 VwVfG, vgl zB Uech­tritz in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2014, § 42a RdNr 45 ff mwN; s fer­ner zur Rechts­la­ge vor Inkraft­tre­ten des § 42a VwVfG Cas­par, AöR 2000, 131 – Der fik­ti­ve Ver­wal­tungs­akt – Zur Sys­te­ma­ti­sie­rung eines aktu­el­len ver­wal­tungs­recht­li­chen Insti­tuts). Die­se vom erken­nen­den Senat zu § 13 Abs 3a SGB V ent­wi­ckel­ten Grund­sät­ze gel­ten in glei­cher Wei­se für Natu­ral­leis­tungs­be­geh­ren wie für Kos­ten­er­stat­tungs­be­geh­ren. Eine unter­schied­li­che Behand­lung der bei­den Fall­grup­pen wider­sprä­che der Geset­zes­kon­zep­ti­on, dem Sank­ti­ons­cha­rak­ter der Rege­lung, die das Inter­es­se aller Ver­si­cher­ten an einem beschleu­nig­ten Ver­wal­tungs­ver­fah­ren schützt. Sie wür­de mit­tel­lo­se Ver­si­cher­te sach­wid­rig ungleich gegen­über jenen behan­deln, die sich die Leis­tung nach fin­gier­ter Geneh­mi­gung selbst beschaf­fen kön­nen (unzu­tref­fend Baye­ri­sches LSG Urteil vom 31.1.20175 KR 471/15 – Juris RdNr 61 ff; SG Spey­er Urteil vom 18.11.201619 KR 329/16 – Juris RdNr 44 f).“ (vgl. BSG, Urteil vom 11.07.20171 KR 26/16 R, Rn. 35).

Es muss also for­mal der fin­gier­te Ver­wal­tungs­akt zurück­ge­nom­men wer­den, was in aller Regel nur erfolg­reich mög­lich sein wird, wenn sich die medi­zi­ni­schen Rah­men­be­din­gun­gen geän­der­ten haben oder die Rechts­grund­la­gen, das wird in aller Regel inner­halb der kur­zen Zeit­pe­ri­oden nicht der Fall sein. Es emp­fiehlt sich aber den­noch gegen eine Ableh­nung Wider­spruch einzulegen.

Nach Auf­fas­sung des BSG gilt die Rege­lung zudem für die­je­ni­gen, die sich die Leis­tung sel­ber beschaf­fen, also in Vor­leis­tung gehen, als auch für die­je­ni­gen, die von der Kran­ken­kas­se Sach­leis­tun­gen wollen.

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