Das neue Umschlag­ver­fah­ren für den Ver­sand zum MDK, Fluch oder Segen?

Weiterleitungsbogen KV-Muster 86

Weit­hin ist das Sze­na­rio bekannt, eine Per­son bean­tragt die Bewil­li­gung eines Hilfs­mit­tels bei der Kran­ken­kas­se. Die Kran­ken­kas­se sel­ber hat kein medi­zi­ni­sches Per­so­nal und nicht die Erlaub­nis die not­wen­di­gen Daten zu erhe­ben und zu spei­chern, so dass die Kran­ken­kas­se sel­ber die medi­zi­ni­sche Begrün­det­heit des Antra­ges nicht prü­fen kann. Dafür kommt dann der Medi­zi­ni­sche Dienst der Kran­ken­ver­si­che­rung „MDK“ ins Spiel, wo Ärz­te die Anträ­ge prüfen.

Bis­her wur­den die Daten mehr oder weni­ger geschützt an die Kran­ken­kas­se geschickt, oft in einem sepa­ra­ten Umschlag, der dann vom MDK oft zur „Archi­vie­rung“ an die Kran­ken­kas­se zurück geschickt wurde.

Nun hat der Gesetz­ge­ber auf eine Initia­ti­ve der Daten­schutz­be­auf­trag­ten hin klar­ge­stellt, dass die Unter­la­gen direkt an den MDK geschickt wer­den sol­len. Dazu wur­de ein Wei­ter­lei­tungs­bo­gen (Mus­ter 86, sie­he oben) erstellt, den die Kran­ken­kas­se dem Ver­si­cher­ten nach Antrag­stel­lung zusam­men mit einem Frei­um­schlag zusen­den muss und mit dem er dann die Unter­la­gen direkt an den MDK schi­cken kann.

Das klingt nett, so sind die Daten doch gut geschützt vor der Kran­ken­kas­se, aber in der Pra­xis erschließt sich das gan­ze wenig. Denn, die leis­tungs­recht­li­che Ent­schei­dung liegt wei­ter­hin (aus­schließ­lich) bei der Kran­ken­kas­se. Die­se bekommt vom MDK eine gut­acht­li­che Stel­lung­nah­me, in der der Gesund­heits­zu­stand des Ver­si­cher­ten beschrie­ben wird, auf deren Basis ent­schei­det sie dann. Aber geheim sind die Daten aus dem Gut­ach­ten nicht. Außer­dem wer­den die maß­geb­li­chen Umstän­de der Kran­ken­kas­se schon in einem Wider­spruchs­ver­fah­ren spä­tes­tens aber in einem Kla­ge­ver­fah­ren bekannt. Denn, wenn die Kran­ken­kas­se von dem Bedarf oder der Indi­ka­ti­on bezüg­lich des Hilfs­mit­tels nicht über­zeugt ist, wird sie den Antrag ableh­nen. Nun kann man einen Wider­spruch ein­le­gen und selbst­ver­ständ­lich als Begrün­dung schrei­ben „aus daten­schutz­recht­li­chen Grün­den ist die Begrün­dung geheim“, das tut der Wirk­sam­keit des Wider­spruchs for­mel­recht­lich kei­nen Abbruch, aller­dings wird man dann wohl kaum eine positive(re) Ent­schei­dung als im ers­ten Bescheid erhal­ten. Also wird man – um den Wider­spruchs­aus­schuss zu über­zeu­gen – ohne­hin sehr klein­tei­lig Stel­lung neh­men. Spä­tes­tens aber im Gerichts­ver­fah­ren muss man die Indi­ka­ti­on und den Bedarf für das Hilfs­mit­tel bewei­sen und wird dem Gericht ent­spre­chen­de Unter­la­gen vor­le­gen, das Gericht wird die­se an die Kran­ken­kas­se wei­ter­lei­ten, auch etwa­ige Gut­ach­ten von gericht­lich bestell­ten Sach­ver­stän­di­gen erhält die Kran­ken­kas­se zur Kennt­nis. Häu­fig wird man mit der Geheim­nis­krä­me­rei – wenn man sie denn ver­sucht durch­zu­zie­hen – das Ver­fah­ren verlängern.

Auch an wei­te­rer Stel­le zeigt sich, dass der Gesetz­ge­ber den Weg nicht bis zum Ende gedacht hat. Auf­grund des Pati­en­ten­rech­te­ge­set­zes (Pati­en­ten­rech­te­ge­setz: Selbst­be­schaf­fung bei nicht frist­ge­mä­ßer Ent­schei­dung) muss die Kran­ken­kas­se über den Antrag des Ver­si­cher­ten inner­halb von 3 Wochen ent­schei­den (wenn die Kran­ken­kas­se sel­ber ent­schei­det) bzw. inner­halb von 5 Wochen (wenn sie den MDK ein­bin­det, wobei sie letz­te­res dem Ver­si­cher­ten inner­halb von 3 Wochen mit­tei­len muss). Nur wor­über die Kran­ken­kas­se so genau ent­schei­den soll, wenn sie die Unter­la­gen nach dem Mot­to „wie Sie sehen, sehen Sie nichts“ vor­ge­legt bekommt. Denn in der Regel bekom­men die Kran­ken­kas­sen so nur eine nack­te Ver­ord­nung (wie bei einem Hus­ten­saft) und sonst nichts. Eine Ent­schei­dung über Anschaf­fungs­kos­ten von vie­len tau­send Euro und monat­li­chen Kos­ten von meh­re­ren hun­dert Euro lässt sich hier­auf sicher­lich nicht stüt­zen. Die Frist ist auch mäch­tig kurz, damit die Kran­ken­kas­se 1.) eine ers­te Prü­fung durch­führt, die Unter­la­gen fer­tig macht, 2.) die not­wen­di­gen Unter­la­gen an den Ver­si­cher­ten schickt, 3.) die­ser einen Ter­min beim Fach­arzt macht, um die Sachen zusam­men­zu­su­chen und der Fach­arzt dann eine Stel­lung­nah­me schreibt, 4.) die Unter­la­gen an den MDK ver­sandt wer­den (erneut per Post), 5.) der MDK ein Gut­ach­ten erstellt und die­ses an die Kran­ken­kas­sen schickt und 6.) die Kran­ken­kas­se auf nun erst­mals vor­lie­gen­den Unter­la­gen eine Ent­schei­dung trifft, ohne, dass Zeit für wei­te­re Nach­fra­gen wäre.

In der Pra­xis führt das dazu, dass die Kran­ken­kas­sen häu­fig die Anträ­ge ein­fach ableh­nen, um die Frist zu eli­mi­nie­ren und das eigent­li­che Antrags­ver­fah­ren in das Wider­spruchs­ver­fah­ren ver­la­gert wird. Ob das so sinn­voll und zweck­mä­ßig ist, dürf­te frei­lich auf einem ande­ren Blatt ste­hen. Jeden­falls führt das zu einer erheb­li­chen Ver­län­ge­rung des Ver­fah­rens; zu Las­ten der Versicherten.

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