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BSG bestä­tigt Geneh­mi­gungs­fik­ti­on nach § 13 Abs. 3a SGB V

Außenansicht des Bundessozialgerichts in Kassel.

Bereits am 18.05.2014 habe ich umfang­reich zum Pati­en­ten­rech­te­ge­setz und zur Geneh­mi­gungs­fik­ti­on aus § 13 Abs. 3a SGB V geschrie­ben. Kurz: Stellt ein Ver­si­cher­ter einer gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung einen Antrag auf Leis­tung, muss die gesetz­li­che Kran­ken­kas­se über den Antrag des Ver­si­cher­ten sach­lich inner­halb von 3 Wochen nach Ein­gang des Antra­ges ent­schei­den. Wenn sie den Antrag bewil­ligt, ist dies völ­lig unpro­ble­ma­tisch, ent­schei­det sie nicht inner­halb von drei Wochen und lehnt spä­ter ab, fin­giert das Gesetz auf­grund der Frist­über­schrei­tung eine Bewil­li­gung der Leis­tung durch die gesetz­li­che Kran­ken­kas­se. Hier hilft der Kran­ken­kas­se auch kei­ne spä­te­re Ableh­nung mehr. Sofern die Kran­ken­kas­se den MDK mit einer gut­acht­li­chen Stel­lung­nah­me beauf­tragt, muss sie inner­halb von ins­ge­samt fünf Wochen sach­lich entscheiden.

Eini­gen Kran­ken­kas­sen woll­ten das jedoch nicht hin­neh­men und lie­ßen sich ver­kla­gen. Das Bun­des­so­zi­al­ge­richt hat den Ver­si­cher­ten inso­weit mas­siv den Rücken gestärkt.

Sach­ver­halt Fall 1
Vgl. Fall 2 der Ter­mins­lis­te des Bun­des­so­zi­al­ge­richts vom 11.07.2017: .:

10.45 Uhr – 1 KR 1/17 R –         M.W. ./.  Deut­sche Ren­ten­ver­si­che­rung Knapp­schaft-Bahn-See
 
Die bei der beklag­ten KK ver­si­cher­te Klä­ge­rin bean­trag­te befund­ge­stützt die Ver­sor­gung mit medi­zi­nisch erfor­der­li­chen Lipo­suk­tio­nen (11.9.2013). Die Beklag­te ließ die Klä­ge­rin vom Sozi­al­me­di­zi­ni­schen Dienst für ein Gut­ach­ten unter­su­chen und lehn­te den Antrag gut sechs Wochen nach Antrags­ein­gang ab. Die Klä­ge­rin hat sich dar­auf­hin die Lipo­suk­tio­nen auf eige­ne Kos­ten (15 271,44 Euro) in einer Pri­vat­kli­nik selbst ver­schafft (sta­tio­när vom 15. bis 17., ambu­lant am 18.12.2014; Ein­zel­rech­nun­gen ärzt­li­che Behand­lung 13 421,44 Euro, Pau­scha­le „All­ge­mein­an­äs­the­sie“ 1500 Euro, Über­nach­tun­gen 350 Euro). Sie ist mit ihrer Kla­ge auf Erstat­tung beim SG ohne Erfolg geblie­ben. Das LSG hat ihre Beru­fung zurück­ge­wie­sen: Die Lipo­suk­ti­on unter­fal­le nicht der Leis­tungs­pflicht der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung. Qua­li­tät und Wirk­sam­keit die­ser neu­en Behand­lungs­me­tho­de sei­en nicht aus­rei­chend belegt. Die ver­zö­ger­te Ver­be­schei­dung habe des­halb auch kei­ne Geneh­mi­gung des Antrags fin­giert. Im Übri­gen ent­sprä­chen die Rech­nun­gen für Anäs­the­sie und Über­nach­tung nicht der GOÄ. 
 
Die Klä­ge­rin rügt mit ihrer Revi­si­on die Ver­let­zung von § 13 Abs 3a S 7 SGB V und § 1 Abs 2 S 2 Nr 2 KHEntgG.
 
SG Karls­ru­he                              – 3 KR 1251/14 -
LSG Baden-Würt­tem­berg            – 4 KR 320/16 -

Ent­schei­dung Fall 1
Vgl. Fall 2 der Ter­mins­lis­te des Bun­des­so­zi­al­ge­richts vom 11.07.2017: .:

Der Senat hat die Ableh­nungs­ent­schei­dung der beklag­ten KK auf­ge­ho­ben, die Sache hin­sicht­lich des Anspruchs auf Zah­lung von 13 771,44 Euro an das LSG zurück­ver­wie­sen und im Übri­gen hin­sicht­lich des Anspruchs auf Zah­lung wei­te­rer 1500 Euro die Revi­si­on der Klä­ge­rin zurück­ge­wie­sen. Die Klä­ge­rin hat Anspruch auf Zah­lung der Kos­ten, die ihr durch die fin­giert geneh­mig­ten Lipo­suk­tio­nen ent­stan­den sind, soweit sie kei­nen Eigen­an­teil für die sta­tio­nä­re Behand­lung zu tra­gen hat. Hier­zu bedarf es wei­te­rer Fest­stel­lun­gen. Der Antrag auf medi­zi­nisch erfor­der­li­che Lipo­suk­tio­nen wegen Lipö­dems war hin­rei­chend bestimmt, nicht recht­zei­tig ver­be­schie­den und die Behand­lung sub­jek­tiv erfor­der­lich. Jeden­falls mit der Leis­tungs­ab­leh­nung war die Klä­ge­rin nicht mehr an zuge­las­se­ne Leis­tungs­er­brin­ger gebun­den. Ihr ent­stan­den aber kei­ne Kos­ten für die Anäs­the­sie, deren Abrech­nung nicht der GOÄ ent­sprach.
 
SG Karls­ru­he                              – 3 KR 1251/14 -
LSG Baden-Würt­tem­berg            – 4 KR 320/16 -
Bun­des­so­zi­al­ge­richt                    – 1 KR 1/17 R -

Sach­ver­halt Fall 2
Vgl. Fall 3 der Ter­mins­lis­te des Bun­des­so­zi­al­ge­richts vom 11.07.2017: .:

11.30 Uhr – 1 KR 26/16 R –        N.S.  ./.  BARMER
 
Die bei der beklag­ten KK ver­si­cher­te, an Adi­po­si­tas (Grad III) lei­den­de Klä­ge­rin bean­trag­te befund­ge­stützt eine baria­tri­sche Ope­ra­ti­on (Ein­gang 17.12.2014). Die Beklag­te for­der­te von der Klä­ge­rin tele­fo­nisch Unter­la­gen an, beauf­trag­te den Medi­zi­ni­schen Dienst der Kran­ken­ver­si­che­rung mit der Begut­ach­tung und setz­te die Klä­ge­rin hier­über in Kennt­nis (16.1.2015). Die Beklag­te lehn­te es ab, die The­ra­pie zu bewil­li­gen (Bescheid vom 19.2.2015). Das SG hat die Beklag­te ver­ur­teilt, der Klä­ge­rin eine baria­tri­sche Ope­ra­ti­on als Sach­leis­tung auf­grund fin­gier­ter Geneh­mi­gung zu gewäh­ren. Das LSG hat auf die Beru­fung der Beklag­ten die Kla­ge abge­wie­sen: Eine Ver­fris­tung der Leis­tungs­ab­leh­nung begrün­de allen­falls einen Erstattungs‑, nicht aber einen Natu­ral­leis­tungs­an­spruch auf eine fik­tiv geneh­mig­te Leis­tung. Auch erfül­le die Klä­ge­rin nicht die medi­zi­ni­schen Vor­aus­set­zun­gen des Anspruchs auf Ver­sor­gung mit einer baria­tri­schen Ope­ra­ti­on.
 
Die Klä­ge­rin rügt mit ihrer Revi­si­on die Ver­let­zung von § 13 Abs 3a, § 27 Abs 1 S 2 Nr 5 iVm § 39 SGB V und des Amts­er­mitt­lungs­grund­sat­zes.
 
SG Nürn­berg                              – 7 KR 420/15 – 
Baye­ri­sches LSG                        – 20 KR 597/15 – 

Ent­schei­dung Fall 2
Vgl. Fall 3 der Ter­mins­lis­te des Bun­des­so­zi­al­ge­richts vom 11.07.2017: .:

Der Senat hat auf die Revi­si­on der Klä­ge­rin das erst­in­stanz­li­che Urteil wie­der­her­ge­stellt. Die Klä­ge­rin hat kraft Geneh­mi­gungs­fik­ti­on Anspruch auf Ver­sor­gung mit einer baria­tri­schen Ope­ra­ti­on. Rechts­fol­ge der Geneh­mi­gungs­fik­ti­on ist ein Ver­wal­tungs­akt, der eigen­stän­dig einen dem Antrag ent­spre­chen­den Natu­ral­leis­tungs­an­spruch begrün­det. Er kann mit der Leis­tungs­kla­ge durch­ge­setzt und nach den Rege­lun­gen über ver­tret­ba­re Hand­lun­gen voll­streckt wer­den. Die Klä­ge­rin erfüll­te die Vor­aus­set­zun­gen der Geneh­mi­gungs­fik­ti­on. Ins­be­son­de­re stell­te sie einen fik­ti­ons­fä­hi­gen Antrag. Hier­für genügt es, dass das Behand­lungs­ziel ‑ hier die baria­tri­sche Ope­ra­ti­on ‑ klar ist. Da die beklag­te KK über den Antrag nicht bin­nen drei Wochen ent­schied, ohne hier­für Grün­de mit­zu­tei­len, gilt die Leis­tung als geneh­migt. Die tele­fo­ni­sche Anfor­de­rung von Unter­la­gen bei der Klä­ge­rin erfüll­te weder die gesetz­lich gefor­der­te Schrift­form noch erfolg­te eine tag­ge­naue Frist­ver­län­ge­rung. Die Beklag­te nahm die Geneh­mi­gung nicht zurück, indem sie den Antrag ver­spä­tet ablehn­te. Dies wäre zudem nur beim Feh­len von Vor­aus­set­zun­gen der Geneh­mi­gungs­fik­ti­on mög­lich.
 
SG Nürn­berg                              – 7 KR 420/15 -
Baye­ri­sches LSG                        – 20 KR 597/15 -
Bun­des­so­zi­al­ge­richt                    – 1 KR 26/16 R -

Aus den Ent­schei­dun­gen – die noch nicht im Voll­text vor­lie­gen – geht eine deut­li­che Stär­kung der Inter­es­sen der Pati­en­ten her­vor. § 13 Abs. 3a SGB V ist damit eine wich­ti­ge Frist mit dem schar­fen Schwert eines fik­ti­ven bewil­li­gen­den Ver­wal­tungs­akts. Eine Rück­nah­me des fik­ti­ven bewil­li­gen­den Ver­wal­tungs­ak­tes ist nicht ohne wei­te­res möglich.

Innenansicht des Bundessozialgerichts in Kassel (Elisabeth-Selbert-Saal).

Pho­to by Tima Mirosh­ni­chen­ko on Pexels​.com

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