Bild, das Blutzuckerprotokolle mit dem Schriftzug Diabetes und ein Blutzuckermessgerät zeigt.

Grad der (Schwer-)Behinderung bei Kin­dern mit Typ‑1 Diabetes

In Social Media-Por­ta­len wird im Rah­men der Selbst­hil­fe immer wie­der kol­por­tiert, man sol­le so lan­ge Wider­spruch ein­le­gen und / oder Kla­gen, bis man einen GdB von 50 erhält.

Wahr dar­an ist, dass die Ver­wal­tungs­ak­ten der zustän­di­gen Behör­den (zumeist Ver­sor­gungs­äm­ter) oft erschre­ckend schlecht geführt sind und den Sach­ver­halt teils nicht ansatz­wei­se auf­ar­bei­ten (in einem Fall, den ich vor eini­ger Zeit hat­te, wur­de eine nicht-ärzt­li­che Psy­cho­lo­gin (psy­cho­lo­gi­sche Psy­cho­the­ra­peu­tin) beauf­tragt, den Dia­be­tes zu bewer­ten, sie hat dann aber nur die soma­ti­schen Pro­ble­me bewer­tet und die psy­cho­lo­gi­schen Pro­ble­me nicht, das geht natür­lich nicht). Hier gibt es einen wich­ti­gen Ansatz­punkt, wenn man die Beschei­de angrei­fen möchte.

Es ist aber kei­nes­wegs so, dass jede*r und / oder jedes Kind einen Anspruch auf Fest­stel­lung eines GdB von 50 hät­te. Grob hat­te ich das vor län­ge­rer Zeit mal hier zusam­men­ge­fasst: Unter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen bekom­me ich einen Schwer­be­hin­der­ten­aus­weis mit Dia­be­tes Der Bei­trag ist bereits etwas älter, ist aber wei­ter­hin aktu­ell und rich­tig. Und ja, vom Grund­satz her gibt es bei der Bewer­tung der Ein­schrän­kun­gen von Erwach­se­nen und Kin­dern kei­ne Unter­schie­de. Die anwend­ba­ren Regeln sind – mit Aus­nah­me des Regel­bei­spiels zum Merk­mal hilf­los – iden­tisch. Die Ein­schrän­kun­gen unter­schei­den sich nur in der Sache. So ist ein*e Erwachsene*r sicher­lich stark ein­ge­schränkt, wenn kein Auto gefah­ren wer­den darf oder der begehr­te Job uner­reich­bar scheint. Kin­der tan­giert das nicht, sie kön­nen aber viel­leicht nicht rech­nen und sind des­we­gen in der Bewe­gungs­frei­heit eingeschränkt.

Immer und aus­nahms­los im Ein­zel­fall ist für die Fest­stel­lung eines GdB von 50 zu prü­fen, ob „eine Insu­lin­the­ra­pie mit täg­lich min­des­tens vier Insu­lin­in­jek­tio­nen durch[geführt wird], wobei die Insulin­do­sis in Abhän­gig­keit vom aktu­el­len Blut­zu­cker, der fol­gen­den Mahl­zeit und der kör­per­li­chen Belas­tung selb­stän­dig vari­iert wer­den muss, und [die Personen]durch erheb­li­che Ein­schnit­te gra­vie­rend in der Lebens­füh­rung beein­träch­tigt sind, erlei­den auf Grund die­ses The­ra­pie­auf­wands eine aus­ge­präg­te Teil­ha­be­be­ein­träch­ti­gung. Die Blut­zu­cker­selbst­mes­sun­gen und Insulin­do­sen (bezie­hungs­wei­se Insu­lin­ga­ben über die Insu­lin­pum­pe) müs­sen doku­men­tiert sein.“ (Her­vor­he­bun­gen und Aus­las­sun­gen durch den Autor). Wird eine der­ar­ti­ge Schwe­re der Ein­schrän­kun­gen nicht erreicht ist bei Typ‑1 Dia­be­tes zumeist ein GdB von 40 ange­mes­sen. Über den GdB von 50 hin­aus geht meist wenig, allen­falls bei Kom­or­bi­di­tä­ten, Begleit- oder Fol­ge­er­kran­kun­gen. Dabei ist aber zu beach­ten, die Ein­zel-GdBs wer­den nicht addiert, son­dern es wird die funk­tio­na­le Gesamt­schwe­re betrach­tet, also geschaut, wel­cher Gesamt-GdB die Ein­schrän­kun­gen am bes­ten beschreibt. Dabei ent­fal­len GdB ≤ 20 in aller Regel, wäh­rend GdBs ≥ 30 in aller Regel erhö­hend zu berück­sich­ti­gen sind. Das muss jedoch immer im Ein­zel­fall betrach­tet wer­den, dazu wer­den und ande­re Regel­bei­spie­le der Vers­MedV berücksichtigt.

Sehr umfas­send und gera­de­zu schul­mä­ßig hat sich in einem von mir geführ­ten Ver­fah­ren das Sozi­al­ge­richt Aachen mit der The­ma­tik bei einem Kin­der­gar­ten-/Schuld­kind (bei Kla­ge­er­he­bung war das Kind im Kin­der­gar­ten und bei der münd­li­chen Ver­hand­lung Schul­kind) beschäf­tigt. Die Ent­schei­dung ist auch sehr lesens­wert, um die Sys­te­ma­tik zu ver­ste­hen. Das Lan­des­so­zi­al­ge­richt Nord­rhein-West­fa­len hat die Ent­schei­dung inhalt­lich und im Ergeb­nis auch gehal­ten. Die Ent­schei­dung zeigt, wie wich­tig es ist, sehr umfas­send und klein­lich die Ein­schrän­kun­gen zu doku­men­tie­ren und im Streit­fall dar­zu­le­gen. Ich emp­feh­le immer, die­se sehr klein­lich auf­zu­schrei­ben, ggf. ist es auch anschau­lich eine Art „Stan­dard­tag“ zu ent­wi­ckeln, aus der sich geballt die Ein­schrän­kun­gen erge­ben, die regel­mä­ßig auf­tre­ten. Ihr müsst dabei beach­ten: Es gilt zwar der Amts­er­mitt­lungs­grund­satz (d. h. der/die Richter*in muss alles von Amts wegen ermit­teln und erfor­schen), ihr dürft aber nicht ver­ges­sen, der/die Richter*in kennt Euch nicht per­sön­lich und wohnt nicht mit Euch zusam­men, das gilt ent­spre­chend auch für Eure*n Rechtsanwalt*in. Es ist daher extrem wich­tig, dass ihr die Ein­schrän­kun­gen nach­hal­tet und anschau­lich aufarbeitet.

Das Sozi­al­ge­richt Aachen kam zu fol­gen­den Erwä­gun­gen, die sich teils auch gene­ra­li­sie­ren lassen:

Im vor­lie­gen­den Fall steht zur Über­zeu­gung der Kam­mer fest, dass die bei der Klä­ge­rin vor­lie­gen­den gesund­heit­li­chen Beein­träch­ti­gun­gen die Fest­stel­lung eines GdB von 50 rechtfertigen.

Die Klä­ge­rin lei­det zum Zeit­punkt der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung im Wesent­li­chen unter einem insu­lin­pflich­ti­gen Typ-1-Dia­be­tes (vgl. zu Defi­ni­ti­on und The­ra­pie eines Typ1-Dia­be­tes, S3-Leit­li­nie The­ra­pie des Typ-1-Dia­be­tes der Deut­schen Dia­be­tes Gesell­schaft, 2. Aufl., Stand 28.03.2018, abruf­bar auf der Home­page der Arbeits­ge­mein­schaft der Wis­sen­schaft­li­chen Medi­zi­ni­schen Fach­ge­sell­schaf­ten e.V. (AWMF) http://​awmf​.org unter der Regis­ter­num­mer 057013; zur Ätio­lo­gie, Ver­lauf und Sym­pto­men vgl. etwa Danne/Kordonouri/Lange, Dia­be­tes bei Kin­dern und Jugend­li­chen, 7. Aufl. 2015, S 15 ff.; 159 ff.). Das Vor­lie­gen die­ser Gesund­heits­be­ein­träch­ti­gung steht nach Auf­fas­sung der Kam­mer auf­grund der im Ver­wal­tungs- und Kla­ge­ver­fah­ren ein­ge­hol­ten Befund- und Arzt­be­rich­te sowie des Gut­ach­tens des Dr. […] fest. Das Gut­ach­ten beruht auf umfang­rei­chen Unter­su­chun­gen eines erfah­re­nen gericht­li­chen Sach­ver­stän­di­gen, die unter Ein­satz von diver­sen Hilfs­mit­teln durch­ge­führt wor­den sind. Die Kam­mer hat kei­nen Anlass an der Rich­tig­keit der in dem Gut­ach­ten erho­be­nen medi­zi­ni­schen Befund und der gestell­ten Dia­gno­se zu zwei­feln. Die­se deckt sich mit den Fest­stel­lun­gen und Dia­gno­sen der behan­deln­den Ärz­te und ist auch zwi­schen den Betei­lig­ten unstrei­tig. Ledig­lich die sozi­al­me­di­zi­ni­sche Bewer­tung die­ser Beein­träch­ti­gun­gen und ins­be­son­de­re die Höhe des GdB ist zwi­schen den Betei­lig­ten bis zuletzt strei­tig geblieben.

Bis zum Inkraft­tre­ten der Ver­sor­gungs­me­di­zin­se­hen Grund­sät­ze wur­de hin­sicht­lich der Höhe des GdB beim Vor­lie­gen eines Dia­be­tes mel­li­tus unter­schie­den zwi­schen Fäl­len eines Typ I und Fäl­len eines Typ II Dia­be­tes. Ers­te­rer recht­fer­tig­te per se einen GdB von 40 und – für den Fall schwe­rer Ein­stell­bar­keit, der häu­fig bei Kin­dern zu fin­den sei, mit gele­gent­li­chen aus­ge­präg­ten Hypo­glyk­ämien – einen sol­chen von 50, vgl. Zif­fer 26.15 der Anhalts­punk­te für die ärzt­li­che Gut­ach­ter­tä­tig­keit im sozia­len Ent­schä­di­gungs­recht und nach dem Schwer­be­hin­der­ten­recht (Teil 2 SGB IX) 2008. Die ent­spre­chen­de Unter­schei­dung ist frei­lich seit lan­gem bereits aufgehoben.

Gemäß Teil B Zif­fer 15.1 Ver­sor­gungs­me­di­zi­ni­schen Grund­sät­ze in der aktu­el­len Fas­sung der Fünf­ten Ver­ord­nung zur Ände­rung der Ver­sor­gungs­me­di­zin-Vers­ord­nung (5. Vers­Med­VÄndV) vom 11.10.2012 (BGBI. 1, S. 2122) gilt hin­sicht­lich der Beur­tei­lung eine Zucker­krank­heit nun­mehr Folgendes:

[…]

Die an Dia­be­tes erkrank­ten Men­schen, die eine Insu­lin­the­ra­pie mit täg­lich min­des­tens vier lnsu­lin­in­jek­tio­nen durch­füh­ren, wobei die Insulin­do­sis in Abhän­gig­keit vom aktu­el­len Blut­zu­cker, der fol­gen­den Mahl­zeit und der kör­per­li­chen Belas­tung selb­stän­dig vari­iert wer­den muss, und durch erheb­li­che Ein­schnit­te gra­vie­rend in der Lebens­füh­rung beein­träch­tigt sind, erlei­den auf Grund die­ses The­ra­pie­auf­wands eine aus­ge­präg­te Teil­ha­be­be­ein­träch­ti­gung. Die Blut­zu­cker­selbst­mes­sun­gen und Insulin­do­sen (bezie­hungs­wei­se, Insu­lin­ga­ben über die Insu­lin­pum­pe) müs­sen doku­men­tiert sein. Der GdS beträgt 50

Außer­ge­wöhn­lich schwer regu­lier­ba­re Stoff­wech­sel­la­gen kön­nen jeweils höhe­re GdS-Wer­te bedingen.

Schon der Wort­laut der Norm macht deut­lich, dass für die Annah­me eines GdB von 50 drei Beur­tei­lungs­kri­te­ri­en erfüllt sein müs­sen. Es müs­sen (1.) täg­lich min­des­tens vier Insu­lin­in­jek­tio­nen durch­ge­führt wer­den. Es muss dar­über hin­aus (2.) eine selb­stän­di­ge Vari­ie­rung der Insulin­do­sis in Abhän­gig­keit vom aktu­el­len Blut­zu­cker, der fol­gen­den Mahl­zeit und der kör­per­li­chen Belas­tung erfol­gen sowie (3.) eine gra­vie­ren­de Beein­träch­ti­gung in der Lebens­füh­rung durch erheb­li­che Ein­schnit­te vor­lie­gen. Hier­bei ist nach der Recht­spre­chung des Bun­des­so­zi­al­ge­richts zu berück­sich­ti­gen, dass die­se drei Kri­te­ri­en in einer Gesamt­schau die sach­ge­rech­te Beur­tei­lung des Gesamt­zu­stands erleich­tern sol­len (vgl. BSG Urteil vom 16.12.20149 SB 2/13 R =juris Rn. 16 unter Hin­weis auf BSG Urteil vom 25.10.20129 SB 2/12 R = juris Rn. 34). Auf den Dia­be­tes-Typ kommt es hier­bei nicht an.

Es steht zur Über­zeu­gung der Kam­mer auf­grund der glaub­haf­ten Anga­ben der Mut­ter der Klä­ge­rin im Ver­fah­ren sowie den von den Eltern der Klä­ge­rin im Ver­wal­tungs- und Gerichts­ver­fah­ren ein­ge­reich­ten Blut­zu­cker­ta­ge­bü­chern fest, dass die Klä­ge­rin, bezie­hungs­wei­se ihre Eltern, regel­mä­ßig vier Mal am Tag den Blut­zu­cker­spie­gel mes­sen. In Abhän­gig­keit von den hier­bei ermit­tel­ten Wer­ten wird Insu­lin gespritzt. Soweit sich an ein­zel­nen Tagen in den Tage­bü­chern kei­ne Ein­tra­gung einer Insu­lin­ga­be fin­det, ist dies damit zu erklä­ren, dass die Insu­lin­ga­ben zu den Mahl­zei­ten, die nach ent­spre­chen­der Mes­sung gege­ben wer­den, hier regel­mä­ßig nicht erfasst wor­den sind, son­dern letzt­lich ledig­lich „außer­plan­mä­ßi­ge“ Inter­ven­tio­nen, wie eine ent­spre­chen­de Nach­fra­ge im Rah­men der münd­li­chen Ver­hand­lung erge­ben habt. Die Kam­mer geht daher nach den über­zeu­gen­den Dar­stel­lun­gen der Mut­ter der Klä­ge­rin davon aus, dass in aller Regel min­des­tens vier – meist mehr – bedarfs­ab­hän­gi­ge Insu­lin­ga­ben erfol­gen. Im Übri­gen wäre es aber nach der Recht­spre­chung des Bun­des­so­zi­al­ge­richts, der sich die Kam­mer voll­um­fäng­lich anschließt, auch unschäd­lich, wenn an ein­zel­nen Tagen weni­ger als vier Mal gemes­sen wür­de (vgl. dazu BSG Urteil vom 25.10.20129 SB 2/12 R =juris Rn. 35). Die oben benann­ten Vor­aus­set­zun­gen 1) und 2) sind damit zwei­fel­los gegeben.

Es steht aber zur Über­zeu­gung der Kam­mer auch fest, dass bei der Klä­ge­rin durch die Erkran­kung die für die Annah­me eines GdB von 50 erfor­der­li­chen, erheb­li­chen Ein­schnit­ten mit gra­vie­ren­den Beein­träch­ti­gun­gen der Lebens­füh­rung vor­lie­gen. Die Kam­mer ver­kennt hier­bei nicht, dass sol­che nach der Recht­spre­chung des Bun­des­so­zi­al­ge­richts nur unter stren­gen Vor­aus­set­zun­gen zu beja­hen sind (vgl. BSG Urteil vom 16.12.20149 SB 2/13 R = juris Rn. 21). Auch hier­in folgt die Kam­mer der höchst­rich­ter­li­chen Aus­le­gung. Für sie spricht in der Tat die For­mu­lie­rung in der Vor­schrift, die eine für einen Norm­text sel­te­ne Häu­fung ein­schrän­ken­der Merk­ma­le („erheb­lich“, „gra­vie­rend“, „aus­ge­prägt“) ent­hält. Die­se stren­ge Aus­le­gung führt dazu, dass die mit der vor­aus­ge­setz­ten Insu­lin­the­ra­pie zwangs­läu­fig ver­bun­de­nen Ein­schnit­te grund­sätz­lich nicht geeig­net sind, eine zusätz­li­che („und“) gra­vie­ren­de Beein­träch­ti­gung der Lebens­füh­rung her­vor­zu­ru­fen. Im vor­lie­gen­den Fall sind sie nach Auf­fas­sung der Kam­mer gleich­wohl zu bejahen.

Zum einen sind inso­fern die vor­han­de­nen Arzt­be­rich­te und die Fest­stel­lun­gen des Gut­ach­ters Dr. […] zu berück­sich­ti­gen. So zei­gen sich in den vor­lie­gen­den Aus­dru­cken aus dem Blut­zu­cker­ta­ge­buch durch­aus leich­te­re bis hin zu deut­li­chen Hypo­glyk­ämien mit Blut­zu­cker­wer­ten von 39 mg/dl und 41 mg/dl an ein­zel­nen Tagen, an ande­ren zwi­schen 40 mg/dl und 50 mg/dl. Hier­bei han­delt es sich um Wer­te, die auch nach Auf­fas­sung der Kam­mer zwei­fel­los in den hypo­glyk­ämischen Bereich zu rech­nen sind (vgl. zur Schwie­rig­keit der Bestim­mung eines „Grenz­wer­tes“ S3-Leit­li­nie The­ra­pie des Typ-1-Dia­be­tes der Deut­schen Dia­be­tes Gesell­schaft, 2. Aufl., Stand 28.03.2018, S. 66; Hien/Böhm/ClaudiBöhm/Krämer/Kohlhaas, Dia­be­tes Hand­buch, 7. Aufl. 2013, S. 86, wonach der von der Ame­ri­can Dia­be­tes Asso­cia­ti­on in Vor­schlag gebrach­te Wert von 70 mg/dl eher zu hoch gegrif­fen sein dürf­te; Balteshofer/Claussen/Häring/et. al., Endo­kri­no­lo­gie und Dia­be­tes, 2009, S 154 [50 mg/dl]; Lentze/Schaub/Schulte/Spranger, Päd­ia­trie, 3. Aufl. 2007, S 340 [50 mg/dl] Götsch [Hrsg.], All­ge­mei­ne und spe­zi­el­le Krank­heits­leh­re, 2. Aufl. 2011, S. 360 [(40 mg/dl]; all­ge­mein zur Hypo­glyk­ämie vgl. Siegenthaler/Blum [Hrsg.], Kli­ni­sche Patho­phy­sio­lo­gie, 9. Aufl. 2006, S. 95). Bis­lang konn­ten frei­lich, ins­be­son­de­re dank der Auf­merk­sam­keit der Eltern der Klä­ge­rin durch Inter­ven­tio­nen – durch Gabe von (flüs­si­gem) Trau­ben­zu­cker (so die Mut­ter der Klä­ge­rin im Rah­men der münd­li­chen Ver­hand­lung) oder sons­ti­gen Maß­nah­men wesent­li­che Aus­wir­kun­gen der Unter­zu­cke­rung ver­mie­den wer­denkonn­ten. Es sind bis­lang kei­ne akut not­wen­di­gen Arzt­be­su­che, Kran­ken­haus­auf­ent­hal­te wegen eines hypo­glyk­ämischen Schocks objek­ti­viert. Die­se Tat­sa­che ist bei der Fra­ge nach der Höhe des GdB durch­aus zu berück­sich­ti­gen (vgl. dazu SG Aachen Urteil vom 27.10.201512 SB 272/15 = juris, bestä­tigt durch LSG NRW Urteil vom 09.06.201721 SB 400/15 = juris). Aller­dings ist die­ser Aspekt nach Auf­fas­sung der Kam­mer nur ein Teil­aspekt, der bei der Fra­ge nach dem vor­lie­gen gra­vie­ren­der Ein­schrän­kun­gen zu beach­ten ist.

Ein ande­rer Aspekt ist, dass die kon­kre­te Ein­stel­lung des Dia­be­tes bei der Klä­ge­rin mit erheb­li­chen – über das nor­ma­le Maß eines Erwach­se­nen hin­aus­ge­hen­den – Schwie­rig­kei­ten ver­bun­den ist. Die Kam­mer ver­kennt hier­bei nicht, das bei der Bewer­tung des GdB bei Kin­dern grund­sätz­lich kein ande­rer Maß­stab gilt als bei Erwach­se­nen. Dies ergibt sich nor­ma­tiv schon aus § 241 Abs. 5 SGB IX in Ver­bin­dung mit § 30 Abs. 1 Satz 4 BVG (so auch LSG NRW Urteil vom 17.06.20047 SB 101/03 =juris Rn. 21, frei­lich noch zu den Vor­ga­ben der AHP). Die Tat­sa­che, dass sich bestimm­te Beein­träch­ti­gun­gen bei Kin­dern aber schon fak­tisch anders dar­stel­len, muss gleich­wohl bei der Fra­ge nach der kon­kre­ten Teil­ha­be­be­ein­träch­ti­gung gestellt wer­den. Denn die kon­kre­te Teil­ha­be­be­ein­träch­ti­gung bestimmt letzt­lich die Höhe des GdB. Die Kam­mer ver­kennt auch nicht, dass das von der Klä­ge­rin ver­wen­de­te Flash Glu­ko­se Moni­to­ring Sys­tem Free Style Lib­re durch­aus mit Vor­tei­len für den Pati­en­ten ver­bun­den ist. Es erlaubt eine dich­te­re Kon­trol­le des Blut­zu­cker­spie­gels ohne die Not­wen­dig­keit einer häu­fi­gen inva­si­ven (blu­ti­gen) Mes­sung (vgl. zur Bewer­tung der kon­ti­nu­ier­li­chen inters­ti­ti­el­len Glu­ko­se­mes­sung (CGM) mit Real-Time Mess­ge­rä­ten bei insu­lin­pflich­ti­gem Dia­be­tes auch den Abschluss­be­richt des vom Gemein­sa­men Bun­des­aus­schuss beim Insti­tut für Qua­li­tät und Wirt­schaft­lich­keit im Gesund­heits­we­sen (IQWiG) in Auf­trag gege­be­nen ent­spre­chen­den Gut­ach­ten vom 21.05.2015 abruf­bar unter ;Es ist aber nach Auf­fas­sung der Kam­mer durch­aus zu berück­sich­ti­gen, dass die der Klä­ge­rin zur Ver­fü­gung ste­hen­den Hilfs­mit­tel eben nicht für den Gebrauch bei Kin­dern spe­zi­ell kon­zi­piert und desi­gned wor­den sind, son­dern letzt­lich dem Markt der Hilfs­mit­tel für Erwach­se­nen ent­stam­men. Dies hat schon im Hin­blick auf die Grö­ße und Hand­lich­keit stär­ke­re Nach­tei­le für die sechs­jäh­ri­ge Klä­ge­rin, die bei der Unter­su­chung bei Dr. […] ein Kör­per­ge­wicht von 17,7 kg bei einer Grö­ße von 114 cm hat­te. Das hier schon im Hin­blick auf Kör­per­grö­ße und ‑gewicht Unter­schie­de zu erwach­se­nen Trä­ger ent­spre­chen­der Dia­be­tes-Hilfs­mit­tel bestehen, ist nach Auf­fas­sung der Kam­mer evi­dent. Dar­über hin­aus ist vor die­sem Hin­ter­grund auch zu berück­sich­ti­gen, dass der täg­li­che bzw. zwei­täg­li­che Wech­sel des Kathe­ters und der alle sie­ben Tage erfor­der­li­che Wech­sel des Sen­sors im Hin­blick auf Alter und Gewicht der Klä­ger belas­ten­der ist, als dies für einen erwach­se­nen oder auch jugend­li­chen Pati­en­ten wäre. Trotz der inten­si­ven Bemü­hun­gen der Eltern, wor­an die Kam­mer kei­nen Zwei­fel hat, sind auf­grund des Alters und der Tätig­keits­pro­fils der Klä­ge­rin auch wei­ter­hin recht stark schwan­ken­de Blut­zu­cker­wer­te, mit den damit ein­her­ge­hen­den soma­ti­schen und psy­chi­schen Fol­gen für die Klä­ge­rin fest­zu­stel­len. Gera­de hier­in unter­schei­det sich die Klä­ge­rin auch von älte­ren Per­so­nen in einer ähn­li­chen Situa­ti­on. Mit der Dau­er der Erkran­kung und dem zuneh­men­den Ent­wick­lungs­grad der Pati­en­ten steigt die Fähig­keit, Ent­wick­lun­gen des Blut­zu­ckers zu spü­ren und hier­auf adäquat zu reagie­ren. Dr. […] hat fest­ge­stellt, dass die Klä­ge­rin zwar durch­aus in der Lage ist, eine Hypo­glyk­ämie-Ent­wick­lung zu spü­ren. Sie kann aber ohne Hil­fe dar­auf nicht adäquat reagie­ren und über­dies fin­den sich gleich­wohl häu­fi­ger die bereits oben erwähn­ten Unter­zu­cke­run­gen. Gera­de die­se bestehen­den Schwie­rig­kei­ten in der Fein­jus­tie­rung – trotz umfas­sen­der Auf­sicht – ist zu berück­sich­ti­gen. Ein Teil die­ser benann­ten umfas­sen­den Auf­sicht ist auch die Tat­sa­che, dass die Klä­ge­rin auch nachts durch­aus regel­mä­ßig blu­tig den Blut­zu­cker gemes­sen bekommt. Auch dies ist nach Auf­fas­sung der Kam­mer ein Aspekt, der als gra­vie­rend zu bezeich­nen ist. Zwar ver­kennt die Kam­mer auch hier nicht, dass häu­fi­ge Mes­sun­gen, die der Vor­sicht um die Gesund­heit geschul­det sind und medi­zi­nisch nicht not­wen­dig sind als irrele­vant für die Bewer­tung des GdB ange­se­hen wer­den (LSG NRW Urteil vom 09.06.201721 SB 400/15 = juris Rn. 28 unter Hin­weis auf LSG Ber­lin-Bran­den­burg Urteil vom 23.11.201613 SB 112/14 =juris Rn. 17). Im vor­lie­gen­den Fall geht die Kam­mer nach dem Ergeb­nis der Ermitt­lun­gen aber davon aus, dass im Hin­blick auf sich als schwie­rig erwei­sen­de Ein­stel­lung und das kind­li­che Alter der Klä­ger durch­aus eine ent­spre­chen­de Not­wen­dig­keit ergibt. Dass das blu­ti­ge Mes­sen hier­bei nicht „mit­ten in der Nacht“ son­dern am spä­ten Abend erfolgt ist nach Auf­fas­sung der Kam­mer uner­heb­lich. Die Klä­ge­rin geht als sechs­jäh­ri­ge früh zu Bett und wird dann nachts mit den Mes­sun­gen und den ggf. erfor­der­li­chen Nah­rungs­ga­ben aus dem Schlaf geris­sen, was nach Auf­fas­sung der Kam­mer auch unter Berück­sich­ti­gung der Tat­sa­che, dass die Klä­ge­rin nun­mehr die Grund­schu­le besucht durch­aus eine star­ke Teil­ha­be­be­ein­träch­ti­gung dar­stellt (vgl. zu die­ser The­ma­tik auch LSG Ber­lin-Bran­den­burg Urteil vom 15.12.201613 SB 232/14 = juris, frei­lich zu einer berufs­tä­ti­gen Klägerin).

In einer Gesamt­ab­wä­gung kommt die Kam­mer unter Berück­sich­ti­gung der Tat­sa­che, dass zwar ein not­fall­ärzt­li­ches Ein­grei­fen bis­lang nicht erfor­der­lich war und Fol­ge­er­kran­kun­gen nicht vor­lie­genauf der einen und den beson­de­ren Belas­tun­gen, die die Klä­ge­rin kon­kret tref­fen, auf der ande­ren Sei­te zu der Ein­schät­zung, dass vor­lie­gend auch das – restrik­tiv aus­zu­le­gen­de – Tat­be­stands­merk­ma­le einer erheb­li­chen Teil­ha­be­be­ein­träch­ti­gung durch gra­vie­ren­de Ein­schnit­te bei der Klä­ge­rin der­zeit vor­liegt.“ (vgl. Sozi­al­ge­richt Aachen, Urteil vom 26.02.201912 SB 847/17, Sei­te 6 ff.; Her­vor­he­bun­gen und Aus­las­sun­gen durch den Autor).

Auch, wenn vie­len von Euch die Ent­schei­dung dahin­ge­hend nicht gefal­len wird, weil sie den Mythos des immer rich­ti­gen GdB von 50 nicht stützt, muss man kon­sta­tie­ren, dass sich der Rich­ter extrem tief­ge­hend mit der Mate­rie und dem Pro­zes­stoff beschäf­tigt hat­te. Auch mit der Krank­heit Dia­be­tes mel­li­tus hat er sich sehr umfas­send beschäf­tigt und sodann sowohl das medi­zi­ni­sche, als auch das juris­ti­sche Schrift­tum sehr umfas­send nach­voll­zo­gen. Die Ent­schei­dung hal­te ich auch für sehr über­zeu­gend und rich­tig. Spä­tes­tens seit der Abschaf­fung der AHB war der immer rich­ti­ge GdB von 50 das, was er ist: ein Mythos.

Wich­tig ist auch, das Gericht ver­tritt – anders als die Städ­te­re­gio­nAa­chen – die Rechts­auf­fas­sung, dass die Beson­der­hei­ten von Kin­dern durch­aus zu berück­sich­ti­gen sind. Das betrifft die ggf. vor­han­de­nen grö­ße­ren Schwan­kun­gen der Blut­zu­cker­wer­te, die ggf. auch nächt­li­che (Blutzucker-)Messungen und Kor­rek­tu­ren erfor­der­lich machen. Dass es für ein Kind eine erheb­li­che Belas­tung ist, wenn sie immer mal wie­der auf­grund einer Unter­zu­cke­rung aus dem Schlaf erweckt wer­den muss und, dass das nicht för­der­lich für die Grund­schu­le ist, ist auch auf der Hand liegend.

Eben­so hat mich gefreut, dass das Gericht mein Argu­ment auf­nimmt, dass es sehr gut nach­voll­zieh­bar ist, dass das Set­zen von Kathe­tern und Sen­so­ren oder das Ste­chen mit Nadeln angst­be­setzt ist. Denn gera­de Kathe­ter und Sen­so­ren wer­den nicht für Kin­der her­ge­stellt, son­dern für Erwach­se­ne. Bei Sen­so­ren gibt es gar kei­ne unter­schied­li­chen Grö­ßen, bei Kathe­tern gibt es die­se nur sehr ein­ge­schränkt. Dass das bei einem Kind mit 18 kg Kör­per­ge­wicht schmerz­haf­ter ist, als bei einer Per­son mit 120 kg Kör­per­ge­wicht dürf­te auch evi­dent sein. Erfreu­li­cher­wei­se nimmt das Gericht die­ses Argu­ment auf und legt dies sei­ner Wür­di­gung zugrunde.

Das Lan­des­so­zi­al­ge­richt Nord­rhein-West­fa­len hat die Ent­schei­dung bestä­tigt und die Beru­fung zurück­ge­wie­sen (auch, wenn das Lan­des­so­zi­al­ge­richt Nord­rhein-West­fa­len nicht so tief ein­ge­stie­gen ist und bei­spiels­wei­se Koh­len­hy­dra­te und Kalo­rien verwechselt).

Die zuläs­si­ge Beru­fung des Beklag­ten ist nicht begrün­det: Das Sozi­al­ge­richt hat die Beklag­te unter Abän­de­rung des Beschei­des vom […].[…].2017 in Gestalt des Wider­spruchs­be­schei­des vom […].[…].2017 zu Recht ver­ur­teilt, den GdB der Klä­ge­rin ab dem […].[…].2016 mit einem GdB von 50 zu bewer­ten und das Vor­lie­gen der gesund­heit­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für das Merk­zei­chen H festzustellen.

Zur Begrün­dung nimmt der Senat zunächst Bezug auf die Ent­schei­dungs­grün­de des ange­foch­te­nen Urteils, die er sich inso­weit nach eige­ner Prü­fung der Sach- und Rechts­la­ge im Wesent­li­chen zu Eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ein ande­res Ergeb­nis ergibt sich auch nicht aus dem Vor­brin­gen des Beklag­ten im Beru­fungs­ver­fah­ren. Hier­in wie­der­holt die­ser im Wesent­li­chen sein bis­he­ri­ges Vor­brin­gen und macht außer­dem u. a. noch gel­tend, dass aus sei­ner Sicht kei­ne aus­rei­chend doku­men­tier­te Grund­la­ge für einen GdB von 50 gege­ben sei. Vom Gut­ach­ter sei nur ein BZ-Tage­buch über einen Zeit­raum von einem Monat aus­ge­wer­tet wor­den. Gra­vie­ren­de Ein­schnit­te in der Teil­ha­be lie­ßen sich dar­aus nicht ablei­ten. Nächt­li­che Unter­zu­cke­run­gen, die mit einer Kalo­rien­ga­be ver­bun­den waren, sei­en im doku­men­tier­ten Zeit­raum nur drei­mal auf­ge­tre­ten. Es lie­ge auch bis zum Zeit­punkt der Beru­fungs­be­grün­dung kei­ne Blut­zu­cker­do­ku­men­ta­ti­on über einen ange­mes­se­nen Zeit­raum von zwei bis drei Mona­ten vor.

Hier­aus folgt kei­ne abwei­chen­de Beur­tei­lung, auch wenn dem Beklag­ten inso­weit zuzu­stim­men ist, dass der vom Gut­ach­ter aus­ge­wer­te­te Zeit­raum sehr knapp bemes­sen gewe­sen ist. Indes erge­ben sich aus den im Beru­fungs­ver­fah­ren bei­gezo­ge­nen Unter­la­gen und ins­be­son­de­re dem Blut­zu­cker­ta­ge­buch für die Zeit von Febru­ar bis Sep­tem­ber 2020 stär­ke­re Unter­zu­cke­run­gen, die eine Koh­len­hy­drat­zu­fuhr mit Fremd­hil­fe in der Nacht nach sich gezo­gen haben, für einen erheb­lich län­ge­ren Zeit­raum und in einem deut­lich grö­ße­ren Umfang, als aus den bis­lang berück­sich­tig­ten Unter­la­gen, die, wie dar­ge­legt, aller­dings auch nur einen Zeit­raum von einem Monat (Anfang Febru­ar bis Anfang März 2018) umfasst haben. So bestand etwa im Monat August 2020 in drei­zehn, im April und Mai 2020 in jeweils sechs Näch­ten die Not­wen­dig­keit zur Gabe von Koh­len­hy­dra­ten nach ent­spre­chen­der Blut­zu­cker­mes­sung (für die Mona­te Juni und Juli lagen offen­bar auf Grund eines Gerä­te­feh­lers kei­ne durch­ge­hen­den Mess­wer­te vor). Zur Über­zeu­gung des Senats stel­len die­se häu­fi­gen Stö­run­gen der Nacht­ru­he für die mitt­ler­wei­le neun­jäh­ri­ge schul­pflich­ti­ge Klä­ge­rin erheb­li­che Ein­schnit­te dar, die eine gra­vie­ren­de Beein­träch­ti­gung in der Lebens­füh­rung bedin­gen, indem sie u. a. zu Müdig­keit und Unkon­zen­triert­heit auch in der Schu­le füh­ren, wie dies auch aus den vor­ge­leg­ten Unter­la­gen der Eltern der Klä­ge­rin her­vor­geht. Aus­weis­lich der von der Beklag­ten im Beru­fungs­ver­fah­ren vor­ge­leg­ten ver­sor­gungs­ärzt­li­chen Stel­lung­nah­men wird dies offen­bar auch von die­ser im Ergeb­nis nicht grund­le­gend anders bewer­tet. So wird in den ver­sor­gungs­ärzt­li­chen Stel­lung­nah­men vom 18.01.2021 und 24.02.2021 u. a. aus­ge­führt, dass aus­weis­lich der nun­mehr vor­lie­gen­den Doku­men­ta­ti­on von 02/202009/2020 tat­säch­lich eine zusätz­lich bewert­ba­re Teil­ha­be­be­ein­träch­ti­gung nach­ge­wie­sen sein könn­te.“ (vgl. Lan­des­so­zi­al­ge­richt Nord­rhein-West­fa­len, Beschluss vom 09.07.2021 – L 17 SB 129/19, Sei­te 8 f.; Her­vor­he­bun­gen und Aus­las­sun­gen durch den Autor).

Das Lan­des­so­zi­al­ge­richt macht sich die Aus­füh­run­gen des Sozi­al­ge­richts zu eigen, hält die­se also für rich­tig. Das Lan­des­so­zi­al­ge­richt sel­ber stellt ein gro­ßes Augen­merk auf die Unter­zu­cke­run­gen mit Fremd­hil­fe (hier durch die Mut­ter, nicht durch (Not-)Ärzt*innen). Das ist also ein Aspekt, der sich in der Argu­men­ta­ti­on durch­aus zu betrach­ten lohnt.

Gera­de nächt­li­che Unter­zu­cke­run­gen und das schmerz­be­setz­te Set­zen von Kathe­tern und Sen­so­ren dürf­ten häu­fig vor­lie­gen. In einem wei­te­ren Ver­fah­ren vor dem Sozi­al­ge­richt Gel­sen­kir­chen, bei dem ähn­li­che Ein­schrän­kun­gen vor­la­gen, haben ich sehr umfas­send mit den vor­ge­nann­ten Ent­schei­dun­gen argu­men­tiert, wor­auf­hin sehr schnell ein Aner­kennt­nis der zustän­di­gen Behör­de ein­ging. Es kann sich also loh­nen zu kämp­fen, das muss man aber immer im Ein­zel­fall sehen und darf das kei­nes­falls pau­schal bewerten.

Vie­le die­ser Ein­schrän­kun­gen neh­men außer­dem mit zuneh­men­dem Alter ab und mit immer bes­se­rer Tech­nik und dem künf­tig stan­dard­mä­ßi­gen Ein­satz von (hybrid) Clo­sed-Loop-Sys­te­men wird ein GdB von 50 zuneh­mend in wei­te­re Fer­ne rücken.

Vor­ge­tra­gen hat­ten wir noch diver­se wei­te­re Ein­schrän­kun­gen, wie Ein­schrän­kun­gen in Schu­le und Kin­der­gar­ten, weil sie den Bedarf an Insu­lin allei­ne nicht schät­zen oder berech­nen kann, sel­bi­ges gilt für Kin­der­ge­burts­ta­ge und Aus­flü­ge. Die­se und ande­re Argu­men­te haben kei­nen Ein­gang in das Urteil gefun­den. Das ist metho­disch auch nicht zu bean­stan­den, weil das Gericht nicht wei­ter argu­men­tie­ren muss, wenn der Anspruch bereits gege­ben ist. Wei­te­re Argu­men­te, die den Anspruch stüt­zen, sind dann nicht erforderlich.

Die Urtei­le im Volltext

Sozi­al­ge­richt Aachen, Urteil vom 26.02.2019 – S 12 SB 847/17

Lan­des­so­zi­al­ge­richt Nord­rhein-West­fa­len, Beschluss vom 09.07.2021 – L 17 SB 129/19

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