Lange haben wir gewartet, nun ist er da, der CGM-Beschluss; veröffentlicht im Bundesanzeiger. Änderungen hat es durch das Bundesministerium für Gesundheit erwartungsgemäß nicht mehr gegeben. Bereits zuvor hatte das Referat 213 des Bundesministeriums für Gesundheit mit Schreiben vom 22.08.2016 die Nichtbeanstandung des CGM-Beschlusses erklärt.
Menschen mit Diabetes, die die erforderliche Indikation haben können nun loslegen und ein CGM beantragen. Ohne Spielverderber zu sein, möchte ich ein wenig die Euphorie bremsen. Nicht alle werden von heute auf morgen ein CGM bekommen; wohl auch nicht übermorgen. Aber, endlich werden die Anträge der Menschen mit Diabetes inhaltlich geprüft, dafür haben wir in der Selbsthilfe lange gekämpft.
Voraussetzungen
Wichtig ist zunächst, dass die Therapie mit einer ICT (intensivierte Therapie, mit Langezeit- und Kurzzeitinsulin) oder der CSII (Pumpentherapie) ausgeschöpft ist. Das bedeutet, man muss versucht haben, die Therapieziele mit allen möglichen Änderungen/Umstellungen zu erreichen. Klappt es nicht, ist man einen Schritt weiter. Die nachfolgenden Voraussetzungen müssen dann erfüllt sein:
Intensivierte Insulintherapie (ICT) oder Pumpentherapie (CSII)
Zunächst kommen nur Menschen mit Diabetes in Betracht die mit einer ICT (intensivierten Insulintherapie) oder mit einer CSII (Pumpentherapie) behandelt werden. Die Verordnung eines CGM ist allerdings dann nicht auf Typ‑1 Diabetiker beschränkt, auch Typ-2er können ein CGM erhalten.
Schulung für das CGM, möglichst mit Erfahrung im CGM
Patienten, die ein CGM benutzen, müssen gut geschult sein. Denn ein CGM ist einerseits teuer und andererseits ist ein Glukosewert aus Interstitium ein völlig anders zu interpretierender Wert als ein reiner Blutzuckerwert. Mit der Dynamik, den Tendenzen und der Entwicklung muss man umgehen lernen, um zu vermeiden, dass durch falsche Maßnahmen oder Überreaktionen ein massiver Abfall des Blutzuckers erfolgt.
Medizinische Indikation
Außerdem bedarf es selbstverständlich einer medizinischen Indikation für die Nutzung des CGM. Das kann beispielsweise sein, um die Therapieziele zu erreichen oder zu halten. Diese Therapieziele werden zusammen mit dem behandelnden Diabetologen vereinbart, beispielsweise ein bestimmter HbA1c, eine geringere Standardabweichung oder Ähnliches. Alternativ kann auch eine schwere Einstellbarkeit des Stoffwechsels ohne CGM eine Indikation für ein CGM darstellen (beispielsweise häufige schwere Hypoglykämien, sehr hohe Werte, die aufgrund von Folgeerkrankungen).
rtCGM
Es muss sich außerdem um ein sog. rtCGM, ein Real-Time-CGM handeln. Das bedeutet, dass das Gerät eine Alarmfunktion besitzen muss. Bei zu hohen oder zu niedrigen Glukosewerten muss das Gerät also automatisch warnen oder wie einzelne Hersteller, automatisch reagieren können. Des Weiteren bedarf es einer kontinuierlicher Übertragung der Glukosewerte an das Empfangsgerät.
Hinweis: Andere Geräte, wie die FGMs, sind von dem Beschluss ausgenommen, in Betracht kommen der MiniMed Enlite, der Dexcom G4 oder G5 sowie der Freestyle Navigator.
Beachtung des Datenschutzes durch den Hersteller
Der Hersteller muss den Datenschutz waren, nähere Angaben dazu finden sich in dem Beschluss.
Praktische Umsetzung
Die genaue praktische Umsetzung und Auslegung durch die Krankenkassen und die Gerichte steht noch nicht fest. Hier werden die kommenden Monate und Jahre zeigen, wie streng die einzelnen Kriterien auszulegen sind. Es ist jedoch zweckmäßig sich an dem konsentierten Musterantrag der Arbeitsgemeinschaft Diabetes & Technologie der DDG zu orientieren: Musterantrag der AGDT
Außerdem sollte man den Antrag möglichst mit einem Freund oder Bekannten in einer Filiale der Krankenkasse einwerfen oder aber so verschicken, dass man den Zugang dokumentieren kann (z. B. per Fax). Denn die Krankenkasse muss binnen 3 Wochen entscheiden, wenn sie ohne MDK entscheiden möchte. Möchte sie den MDK in die Entscheidung einbinden, muss sie dies dem Versicherten innerhalb von 3 Wochen mitteilen und dann binnen 5 Wochen entscheiden. Mehr dazu findet ihr hier: Patientenrechtegesetz: Selbstbeschaffung bei nicht fristgemäßer Entscheidung
Bei Problemen stehen einem Widerspruch und Klage offen; sollte die Krankenkasse über den Widerspruch nicht binnen drei Monaten entscheiden, was häufig der Fall ist, kann man auch vor Erlass des Widerspruchsbescheides Klage erheben.
Tipp
In allen noch nicht abgeschlossenen Antrags‑, Widerspruchs- und Klageverfahren muss der jetzt veröffentlichte Beschluss ergänzend berücksichtigt werden. Die Behörde/das Gericht ist auch verpflichtet, gegebenenfalls neue Ermittlungen hinsichtlich der nun relevanten Indikation durchzuführen. Die Chancen für eine Genehmigung steigen damit deutlich. Allerdings wird auch weiterhin nicht jeder ein CGM erhalten, wichtig ist daher ein gut formulierter Antrag.
Sinnvoll ist es, den Antrag der Arbeitsgemeinschaft Diabetes & Technologie (AGDT) der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) zu verwenden: Leitfaden & CGM Antrag der AGDT
Den Beschlusswortlaut und die tragenden Gründe findet ihr in der Anlage als PDF-Datei.
Jan hat deutsches und niederländisches Recht in Bremen, Oldenburg und Groningen studiert und ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht in einer Kanzlei für Medizin- und Sozialrecht in Bochum. Außerdem hat er eine Zusatzausbildung im Datenschutz (Datenschutzbeauftragter DSB-TÜV) gemacht. Schon während seines Studiums engagierte er sich ehrenamtlich im Bereich Diabetes, insbesondere zu Gunsten von Kindern und Jugendlichen, und hat die Selbsthilfeorganisation Deutsche Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes (DDH‑M) e. V. mitbegründet und aufgebaut. Er engagiert sich zudem in der Stiftung Stichting Blue Diabetes.