Aufgrund von § 33 Abs. 8 SGB V in Verbindung mit § 61 SGB V müssen gesetzlich Versicherte, die Hilfsmittel erwerben hierzu eine Zuzahlung in Höhe von 10 % des Abgabepreises zahlen, mindestens jedoch EUR 5,00 und höchstens EUR 10,00. Das Geld wird allerdings nicht von der Krankenkasse eingezogen, sondern nach § 43c Abs. 1 SGB V von den Leistungserbringern (Apotheken, Versandhändlern, Herstellern). Die Zuzahlung wird dann mit dem Anspruch gegen die Krankenkasse verrechnet. Beispiel: D kauft eine Packung Katheter zum Abgabepreis von EUR 66,00. Die Zuzahlung beträgt hier EUR 6,60 (10 %, mindestens EUR 5,00 und maximal EUR 10,00). Der Händler erhält also einen Betrag in Höhe von EUR 59,40 von der gesetzlichen Krankenversicherung. Sofern der Versicherte den Betrag nicht weigert, muss der Leistungserbringer die Krankenkasse informieren, die den Betrag dann einzieht.
Die Apotheken haben diese Beträge seit jeher fleißig kassiert und eingenommen. Die Hersteller von Hilfsmittel und die Versandhändler haben diese Beträge jedoch durch die Bank weg nie vereinnahmt. Sie nehmen die verringerten Einnahmen aus der gesetzlichen Krankenversicherung und buchen den Rest aus. Dies kollidiert aber recht deutlich mit §§ 33 Abs. 8, 61 SGB V denn dort werden die Leistungserbringer verpflichtet, die Zuzahlung zu kassieren.
Ein Diabetes-Versandhändler aus Geislingen hat damit geworben, dass er die Zuzahlung von gesetzlich Versicherten nicht vereinnahmen würde und versprach sich hierdurch einen Wettbewerbsvorteil. Hiergegen hat ein Wettbewerbsverband geklagt. Vor dem Landgericht Ulm (vgl. LG Ulm, Urteil vom 23.06.2014 – 3 O 4/14) wurde die Klage abgewiesen. In der Berufungsverhandlung verbot das Oberlandesgericht Stuttgart dem Versandhändler jedoch damit zu werben, die Zuzahlung nicht zu kassieren oder sie tatsächlich nicht zu kassieren (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 09.07.2015 – 2 U 83/14). Das OLG Stuttgart kam insoweit – abweichend vom Landgericht Ulm – zu dem Ergebnis, dass die Leistungserbringer verpflichtet sind, die Zuzahlung zu kassieren und es einen wettbewerbsrechtlichen Verstoß darstellt, dies nicht zu tun.
Der verurteilte Versandhändler hat Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt. Der BGH wird am 01.12.2016 über die Revision in Karlsruhe verhandeln (vgl. BGH, Az.: I ZR 143/15, Pressemitteilung Nr. 142/16).
Sofern der BGH das Urteil des OLG Stuttgart bestätigt, werden auch die anderen Versandhändler ihre bisherige Praxis zügig umstellen und die Zuzahlung einziehen (müssen). Dann kämen deutliche Zusatzkosten auf die Menschen mit Diabetes zu. Es steht also evtl. ein süß-saures Weihnachtsgeschenk des BGH an.
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Jan hat deutsches und niederländisches Recht in Bremen, Oldenburg und Groningen studiert und ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht in einer Kanzlei für Medizin- und Sozialrecht in Bochum. Außerdem hat er eine Zusatzausbildung im Datenschutz (Datenschutzbeauftragter DSB-TÜV) gemacht. Schon während seines Studiums engagierte er sich ehrenamtlich im Bereich Diabetes, insbesondere zu Gunsten von Kindern und Jugendlichen, und hat die Selbsthilfeorganisation Deutsche Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes (DDH‑M) e. V. mitbegründet und aufgebaut. Er engagiert sich zudem in der Stiftung Stichting Blue Diabetes.