Beamte versichern sich nur zum Teil selber gegen Krankheit. In der Regel erhalten Beamte 50% bis 70% aller Krankheitsaufwendungen vom Dienstherrn ersetzt, die restlichen 30% bis 50% von einer privaten Krankenversicherung.
In einer Entscheidung hat das VG Koblenz kürzlich entschieden, dass kontinuierliche Glukosemessgeräte (CGM) nicht beihilfefähig seien (VG Koblenz, Urteil vom 15. Januar 2016, 5 K 756/15.KO). Nach Auffassung des VG Koblenz reicht ein Blutzuckermessgerät aus. Ein zusätzliches CGM sei jedenfalls dann nicht mehr medizinisch notwendig.
Einleitung
Beamte versichern sich nur zum Teil selber gegen Krankheit. In der Regel erhalten Beamte 50% bis 70% aller Krankheitsaufwendungen vom Dienstherrn ersetzt, die restlichen 30% bis 50% von einer privaten Krankenversicherung.
In einer Entscheidung hat das VG Koblenz kürzlich entschieden, dass kontinuierliche Glukosemessgeräte (CGM) nicht beihilfefähig seien (VG Koblenz, Urteil vom 15. Januar 2016, 5 K 756/15.KO). Nach Auffassung des VG Koblenz reicht ein Blutzuckermessgerät aus. Ein zusätzliches CGM sei jedenfalls dann nicht mehr medizinisch notwendig.
Sachverhalt
Der Kläger ist ein Beamter, der zu 70% beihilfeberechtigt ist und Diabetes mellitus Typ‑1 hat. Mit Bescheid vom 28. Januar 2015 wurde dem Kläger Behilfe für eine Insulinpumpe (Omnipod) mit integriertem Blutzuckermessgerät gewährt.
Mit Behilfeantrag vom 4. April 2015 beantragte der Kläger unter Vorlage einer Rechnung der Firma Abbott und einer ärztlichen Verordnung Beihilfe für ein Starterpaket für das Freestyle Libre Flash Glucose Monitoring-System (FGM).
Durch Bescheid vom 16. April 2015 lehnte die Beihilfestelle den Antrag ab. Sie begründete die Ablehnung damit, dass die Kosten für ein Gewebezuckermessgerät grundsätzlich von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen seien und nur in begründeten Einzelfällen eine Beihilfe hierzu gewährt werden könne.
Am 27. April 2015 erhob der Kläger Widerspruch gegen die Ablehnung und begründete diesen damit, dass das Beihilferecht in Rheinland-Pfalz eine Beihilfefähigkeit von Blutzuckermessgeräten ausdrücklich vorsehe. Darüber hinaus sei das FGM auch wirtschaftlicher als blutige Einzelmessungen.
Durch Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2015 wies die Widerspruchsstelle den Widerspruch zurück. Sie begründete dies damit, dass die Beihilfeverordnung zwar eine Beihilfefähigkeit von Blutzuckermessgeräten vorsehe, der Kläger jedoch bereits über ein – in die Insulinpumpe integriertes – Blutzuckermessgerät verfüge. Das Ministerium der Finanzen habe außerdem mit Schreiben vom 20. Februar 2015 mitgeteilt, Beihilfe zu Gewebezuckermessgeräten auf der Basis einer kontinuierlichen Glukosemessung (Continuous Glucose Monitoring [CGM]) könne nur in begründeten Ausnahmefällen gewährt werden. Ein solcher habe hier nicht vorgelegen.
Am 25. August 2015 hat der Kläger gegen diese Entscheidung Klage erhoben. Er begründete die Klage wie folgt:
Das FreeStyle Libre Flash Glukose Messsystem stelle sich als Blutzuckermessgerät dar, sei mit einem solchen aber jedenfalls vergleichbar. Es könne auch nicht mit dem im Schreiben des Ministeriums der Finanzen genannten CGM-System gleichgesetzt werden, sondern sei dem sog. Flash Glucose Monitoring (FGM) zuzuordnen. Dieses System sende weder kontinuierlich Daten an einen Empfänger, noch müsse es während der Nutzungsdauer kalibriert werden. Sein behandelnder Arzt halte die Fortführung einer sensorgestützten Insulinpumpentherapie zudem für sinnvoll. Durch den Einsatz des Gerätes sinke die Barriere für wiederholte und engmaschige Blutzuckermessungen am Finger und mache die Messungen insgesamt kostengünstiger. Schließlich liefere das System interessante Zusatzinformationen über den Glukosetrend.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und argumentierte, dass das FGM gerade kein Blutzuckermessgerät darstelle und in erster Linie der Bequemlichkeit bzw. dem Komfort diene. Darüber hinaus sei es auch nicht wirtschaftlicher.
Entscheidung
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen.
Es führte dazu aus, dass der (ablehnende) Beihilfebescheid rechtmäßig sei und der Kläger keinen Anspruch auf die Versorgung mit dem FGM habe.
[…] der Kläger [hat] keinen Anspruch auf eine Beihilfe zu den Aufwendungen für das von ihm angeschaffte Starter-Paket mit Lesegerät und zwei Sensoren auf der Basis des Flash Glucose Monitoring. Zwar umfassen die beihilfefähigen Aufwendungen auch die Kosten für Hilfsmittel. Dies allerdings nur unter der Voraussetzung der medizinischen Notwendigkeit. Notwendig sind die Aufwendungen dann, wenn sie für eine medizinisch gebotene Behandlung (bzw. ein Hilfsmittel) entstanden sind, die der Wiedererlangung der Gesundheit, der Besserung oder Linderung von Leiden, der Beseitigung oder dem Ausgleich körperlicher oder geistiger Beeinträchtigungen dient (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.10.2013 – 5 C 32.12 –, juris, Rn. 13; VG Koblenz, Urt. v. 13.09.2012 – 6 K 371/12.KO –). Diese medizinische Notwendigkeit ist bei dem Kläger in Bezug auf das von ihm angeschaffte Messsystem jedoch nicht gegeben. Denn er verfügt bereits über ein Blutzuckermessgerät. Der Blutzucker des Klägers kann gegenwärtig über das Blutzuckermessgerät „FreeStyle“ gemessen werden, welches in den Personal Diabetes Manager (PDM) der Insulin Patch-Pumpe mylife OmniPod integriert ist. Für diese Insulinpumpe ist dem Kläger mit Bescheid vom 28. Januar 2015 Beihilfe gewährt worden. Durch das Blutzuckermessgerät ist seine krankheitsbedingte Versorgung mit Hilfsmitteln daher sichergestellt. Für die jeweils aktuelle Bestimmung des Blutzuckers bringt das Glukose Messsystem keine zusätzliche, durch das Blutzuckermessgerät „FreeStyle“ noch nicht bewirkte Versorgung der körperlichen Beeinträchtigungen mit sich. Bei dem Gewebezuckermessgerät geht es vielmehr in erster Linie darum, ein Mehr an Lebensqualität für den betroffenen Diabetes-Patienten zu erreichen und bestimmte Zusatzinformationen, etwa einen Glukosetrend, bereitzustellen. So wird der bei der herkömmlichen Blutzuckermessung nötige Stich in die Fingerbeere durch das (schmerzlose) Scannen eines Sensors am Oberarm abgelöst. Nach der Presseinformation zum Glukose Messsystem der Firma A*** lässt sich der Glukosegehalt im Blut einfacher, schneller und unauffälliger ermitteln (Bl. 34 der Verwaltungsakte). Eine möglicherweise größere Anwenderfreundlichkeit sowie die Schmerzfreiheit des Messverfahrens können zwar ebenso wie die bereitgestellten Zusatzinformationen zu einer höheren Lebensqualität der betroffenen Patienten, mehr Komfort und einem erweiterten Leistungsangebot beitragen; sie begründen aber keine medizinische Notwendigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 BVO, wenn bereits ein Blutzuckermessgerät vorhanden ist. Hieran ändert auch das vom Kläger im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingereichte Attest seines Internisten vom 19. August 2015 nichts, wonach die Fortführung einer sensorgestützten Insulinpumpen-Therapie „sinnvoll“ sei.
Ferner handele es sich nicht - so das Verwaltungsgericht weiter – um ein Blutzuckermessgerät.
Für ausgewählte Konstellationen wird im Schreiben des Ministeriums der Finanzen vom 20. Februar 2015 die Beihilfefähigkeit von Gewebezuckermessgeräten nach Durchführung einer Einzelfallprüfung bejaht. Danach setzt die Gewährung von Beihilfe unter anderem die Zugehörigkeit zu bestimmten Patientengruppen (z. B. Diabetespatientinnen in der Schwangerschaft, Patienten mit wiederholten unvorhergesehenen schweren Hypoglykämien) voraus. Diese Grundsätze kommen auch in Bezug auf das vom Kläger angeschaffte FGM-System zur Anwendung. Zwar weist er insoweit zutreffend darauf hin, dass sich die kontinuierliche Glukosemessung (CGM) und das Flash Glucose Monitoring (FGM) etwa hinsichtlich der Notwendigkeit einer Kalibrierung sowie bei der Anzeige der Messergebnisse unterscheiden. Beide Systeme messen aber den Glukosewert im Unterhautfettgewebe, halten die Messergebnisse über einen gewissen Zeitraum vor und weisen damit entscheidende Gemeinsamkeiten auf. Da der Kläger nicht geltend macht, zu einer der im Schreiben vom 20. Februar 2015 genannten Patientengruppen zu gehören, kommt ein Beihilfeanspruch nach der gegenwärtigen Rechtslage daher nicht in Betracht.
Das Gericht wies noch auf folgendes hin:
Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen ist ein Anspruch des Klägers im hier zu entscheidenden Fall aber auch deshalb ausgeschlossen, weil ihm das Messsystem unter dem 26. März 2015 (Bl. 6 der Verwaltungsakte) geliefert und nicht „vor der Beschaffung ärztlich verordnet“ wurde (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 1 BVO).
Die Berufung wurde nicht zugelassen.
Fazit
Die Ablehnung der medizinischen Notwendigkeit eines kontinuierlichen Glukosemesssystems (CGM) aufgrund eines vorher genehmigten Blutzuckermessgerätes ist neu. Dabei übersieht das Gericht ganz offensichtlich, dass ein CGM und ein Blutzuckermessgerät medizinisch in der Anwendung und Therapie nicht vergleichbar ist. Insoweit weist das Gericht widersprüchlich daraufhin, dass das CGM kein Blutzuckermessgerät darstellt. Warum die medizinische Notwendigkeit eines CGMs dann durch das Vorhandensein eines Blutzuckermessgerätes ausgeschlossen sein sollte, führt das Gericht leider nicht aus. Wäre eine solche Vergleichbarkeit der Fall, wäre ein CGM auch nicht als Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB) zu qualifizieren. Dass es sich dabei um eine NUB handelt hat das Bundessozialgericht im Juli 2015 letztinstanzlich festgestellt. Ein CGM eröffnet insoweit ganz neue Möglichkeiten der Therapie, so wird nämlich ein Trend dargestellt, der auf die zukünftigen Werte schließen lässt. Dadurch können Entgleisungen wirksam vorgebeugt werden. Außerdem kann auch der bisherige Blutzuckerverlauf nachvollzogen werden. Das alles geht bei Blutzuckermessgeräten nicht. Blutzuckermessgeräte zeigen nur den aktuellen Blutzuckerwert an, von dem weder auf vorherige noch auf zukünftige Verläufe geschlossen werden kann. Alle anderen CGMs bieten zudem noch einen Anstiegs- sowie einen Abfallalarm an, der mitteilt, wenn der Zuckergehalt stark steigt oder sinkt und auch auf Hypoglykämien hinweist. Dies kann das FGM jedoch bauartbedingt nicht. Diese Unterschiede hat das Verwaltungsgericht offenbar verkannt. Dass es sich dabei nur um Vorteile im Rahmen der Bequemlichkeit handelt ist falsch.
Hält man die Argumentation das Gerichts für richtig, dass also ein vorhandenes Blutzuckermessgerät die medizinische Notwendigkeit eines CGM ausschließt – könnte man ein CGM in allen denkbaren Fällen ablehnen, da alle Typ‑1 Diabetiker ein Blutzuckermessgerät haben dürften.
Das Gericht hat leider keine Ausführungen zur Wirtschaftlichkeit gemacht.
Allerdings ist die Entscheidung dahingehend nachvollziehbar, dass das Gericht hier keinen Unterschied zwischen CGM und FGM machen will, denn technisch ist beides dasselbe. Das FGM ist lediglich kostengünstiger zu erwerben und hat deswegen einige bauartbedingte Einschränkungen gegenüber den anderen CGMs. Im Übrigen machen beide dasselbe, nämlich die Gewebezuckerkonzentration messen und die gemessenen Werte zu protokollieren.
Wichtig ist es zu beachten, dass Beihilfeberechtigte – zumindest in Rheinland-Pfalz – sich vor dem Erwerb der Hilfsmittel eine ärztliche Verordnung geben lassen.
Das Beihilferecht für die Landesbeamten ist inzwischen Ländersache. Das heißt, jedes Land hat seine eigenen Beihilfeverordnung. Dennoch dürfte die Entscheidung auf die meisten Bundesländer übertragen werden können, denn das Beihilferecht ähnelt sich im Wesentlichen sehr stark. Dies ist jedoch im Einzelfall individuell zu überprüfen.
Im Falle eines anderen CGM dürfte es indessen nicht so einfach sein, auf das Vorhandensein eines Blutzuckermessgerätes abzustellen, da neben den obigen Vorteilen noch die Alarme vorhanden sind. Ein Blutzuckermessgeräte kann daher keinesfalls ein medizinisch notwendiges CGM ersetzen. Ob eine medizinische Notwendigkeit in diesem Fall überhaupt gegeben war, hat das VG offenbar nicht ermittelt.
Insoweit bleibt abzuwarten, ob der Kläger eine Nichtzulassungsbeschwerde erhebt und der Rechtsstreit in der nächsten Instanz ggf. anders entschieden wird.
Die Pressemitteilung im Wortlaut
VG Koblenz: Kostenübernahme für Gewebezuckermessgerät wurde zu Recht abgelehnt.
Pressemitteilung Nr. 2/2016
Das Verwaltungsgericht Koblenz hat die Klage eines Beamten auf Gewährung von Beihilfeleistungen für die Anschaffung eines Gewebezuckermessgeräts abgewiesen. Der Kläger leidet an Diabetes mellitus. Nachdem ihm bereits einige Monate zuvor Beihilfe für eine Insulinpumpe mit integriertem Blutzuckermessgerät bewilligt worden war, lehnte das beklagte Land seinen Antrag auf teilweise Übernahme der Kosten für das zusätzlich angeschaffte Gewebezuckermessgerät ab. Beihilfe für ein derartiges Gerät könne nur in begründeten Ausnahmefällen gewährt werden. Einen solchen habe der Kläger indes nicht dargelegt. Die zusätzliche Anschaffung des Gewebezuckermessgeräts sei in seinem Fall medizinisch nicht notwendig, weil er bereits über ein Blutzuckermessgerät verfüge.
Dagegen hat der Beamte Klage erhoben. Das von ihm auf Anraten seines Arztes angeschaffte Gerät stelle sich als Blutzuckermessgerät dar, sei mit einem solchen aber jedenfalls vergleichbar. Es sei daher als beihilfefähig einzustufen.Die Klage hatte keinen Erfolg. Dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch nicht zu, urteilten die Koblenzer Richter. Nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen erhielten Beamte Beihilfe zu Aufwendungen, wenn sie medizinisch notwendig, der Höhe nach angemessen und ihre Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen sei. Die vom Gesetz geforderte medizinische Notwendigkeit sei in Bezug auf das vom Kläger angeschaffte Gerät nicht gegeben. Er verfüge bereits über ein Blutzuckermessgerät. Damit sei seine krankheitsbedingte Versorgung mit Hilfsmitteln sichergestellt. Bei dem Gewebezuckermessgerät gehe es in erster Linie darum, ein Mehr an Lebensqualität für den Diabetes-Patienten zu erreichen. Dies begründe aber keine medizinische Notwendigkeit im Sinne der Beihilfevorschriften.
Das Gewebezuckermessgerät sei auch nicht mit einem Blutzuckermessgerät im herkömmlichen Sinne gleichzusetzen. Es sei daher rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Dienstherr die Beihilfefähigkeit von Gewebezuckermessgeräten nur in bestimmten – hier nicht vorliegenden – Ausnahmefällen zulasse.
Gegen diese Entscheidung können die Beteiligten die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz beantragen.
Vgl. Pressemitteilung Nr. 2/2016
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Jan hat deutsches und niederländisches Recht in Bremen, Oldenburg und Groningen studiert und ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht in einer Kanzlei für Medizin- und Sozialrecht in Bochum. Außerdem hat er eine Zusatzausbildung im Datenschutz (Datenschutzbeauftragter DSB-TÜV) gemacht. Schon während seines Studiums engagierte er sich ehrenamtlich im Bereich Diabetes, insbesondere zu Gunsten von Kindern und Jugendlichen, und hat die Selbsthilfeorganisation Deutsche Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes (DDH‑M) e. V. mitbegründet und aufgebaut. Er engagiert sich zudem in der Stiftung Stichting Blue Diabetes.