Wer kennt das nicht, bei einer Therapieumstellung kommt in der Regel der Satz:
Bitte fahren Sie in den kommenden 14 Tagen nicht mit dem Auto.
Oder:
Sie dürfen in den nächsten 14 Tagen nicht Auto fahren.
Aber darf der Arzt einem Patienten ein Fahrverbot auferlegen?
Grundsätzlich kann ein Arzt nicht die Fahrerlaubnis aberkennen, auch nicht temporär, insofern kann er einem auch nicht – rechtlich wirksam – ein Fahrverbot auferlegen. Vielmehr handelt es sich um eine Warnung. Dies alleine wäre aber zu kurz gegriffen, natürlich steckt hinter dieser Warnung ein Zweck, nämlich im Falle von nicht auszuschließenden starken Blutzuckerschwankungen eine (lebens-)gefährliche Situation für die betroffene Person und andere auszuschließen. Denn häufig werden im Zuge von Therapieanpassungen die Insulindosen massiv verändert, entsprechend sind stärkere oder sogar schwere Hypoglykämien denkbar. Es dauert eine gewisse Zeit, bis man sicher weiß, dass man eine stabile Stoffwechsellage erzielt hat.
Und was hat das für rechtliche Auswirkungen?
Verkehrsrechtlich führt die Übertretung dieser Warnung dazu, dass einem bei einem Unfall – sofern nicht auch ein Verschulden auf Seiten des Unfallgegners nachgewiesen werden kann – ein überwiegendes Verschulden zugerechnet wird. Verkehrsrechtlich ist es sonst so, dass bei einem Unfall, bei dem das Geschehen nicht aufgeklärt werden kann, beide Parteien 50% des Schadens tragen, sofern man aber die Warnung des Arztes ignoriert und hierdurch ein Unfall verursacht wird, ist es nicht unwahrscheinlich, dass der Verursachungsbeitrag der sich nicht an die Warnung haltenden Person auf bis zu 100% angehoben wird. Man bleibt dann folglich auf dem eigenen Schaden sitzen und die eigene Versicherung muss den Schaden des anderen zahlen. Bestenfalls wird man dann hochgestuft, schlimmstenfalls wird das Verhalten als grob fahrlässig bewertet, so dass die Haftpflichtversicherung (teilweise) leistungsfrei wird. D. h. sie zahlt zwar zunächst an die andere Unfallpartei, wird dann aber einen Teil oder den gesamten Schaden vom Unfallverursacher ersetzt verlangen. Man sollte sich daher tunlichst an solche Warnungen halten.
Darüber hinaus kann sich hieraus eine Strafbarkeit nach § 315c Abs. 1 Ziffer 1 lit. b StGB ergeben, wenn dies (bedingt) vorsätzlich geschieht (man also die Gefährdung anderer billigend in Kauf nimmt, was nach einer Warnung wohl anzunehmen ist), geht der Strafrahmen bis zu 5 Jahre. Im Falle der Fahrlässigkeit steht nach § 315c Abs. 3 StGB ein Strafrahmen von bis zu 2 Jahren Gefängnis zu Verfügung. Und wenn man eine Warnung eines Arztes ignoriert wir in der Regel zumindest eine einfache Fahrlässigkeit vorliegen. Insofern ist Vorsicht geboten.
Jan hat deutsches und niederländisches Recht in Bremen, Oldenburg und Groningen studiert und ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht in einer Kanzlei für Medizin- und Sozialrecht in Bochum. Außerdem hat er eine Zusatzausbildung im Datenschutz (Datenschutzbeauftragter DSB-TÜV) gemacht. Schon während seines Studiums engagierte er sich ehrenamtlich im Bereich Diabetes, insbesondere zu Gunsten von Kindern und Jugendlichen, und hat die Selbsthilfeorganisation Deutsche Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes (DDH‑M) e. V. mitbegründet und aufgebaut. Er engagiert sich zudem in der Stiftung Stichting Blue Diabetes.