Das Bundessozialgericht hat am 8. Juli 2015 entschieden, dass ein kontinuierliches Glukosemessgerät (CGM) grundsätzlich kein verordnungsfähiges Hilfsmittel ist (BSG, Urteil vom 08.07.2015 – B 3 KR 5/14 R).
Das BSG vertritt dazu die Auffassung, dass es sich bei den CGM Geräten um eine sogenannte „neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode“ (NUB) handelt. Eine NUB ist nur in Ausnahmefällen, wie lebensbedrohlichen Zuständen, verordnungsfähig. Grundsätzlich hat nämlich zunächst ein Bewertungsverfahren zu erfolgen, bei dem der Gemeinsame-Bundesausschuss (G‑BA) ein Bewertungsverfahren eröffnet. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bewertet dann Kosten und Nutzen der neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode und teilt mit, inwieweit Zusatznutzen gegenüber der bisherigen Standardmethoden bestehen. Auf dieser Basis entscheidet der G‑BA dann über die Aufnahme des Hilfsmittels in den Hilfsmittelkatalog der gesetzlichen Krankenkassen und über die Rahmenbedingungen der Verordnungsfähigkeit. Das Verfahren ist hinsichtlich CGMs bisher nicht abgeschlossen. Zwar ist ein solches Verfahren eröffnet worden und das IQWiG hat auch einen (grundsätzlichen positiven) Abschlussbericht veröffentlicht (der Abschlussbericht kann hier eingesehen werden: https://www.iqwig.de/download/D12-01_Abschlussbericht_Kontinuierliche-Glukosemessung-mit-Real-Time-Messgeraeten.pdf). Allerdings hat der G‑BA noch nicht über die Aufnahme der CGMs in den Hilfsmittelkatalog entschieden. Eine solche Entscheidung wird für Ende des laufenden Jahres erwartet.
Für die Personen, die derzeit Anträge auf Versorgung mit einem CGM bei der Krankenkasse stellen, wird sich die Situation nun eher verschlechtern. Es ist anzunehmen, dass die Krankenkassen noch weniger Genehmigungen erteilen als bisher schon, insbesondere, weil es bisher Instanzrechtsprechung gab, nach der es sich bei einem CGM nicht um eine NUB handelt.
Zudem ist anzunehmen, dass die Rechtsprechung entsprechend von den Krankenkassen auch auf das sogenannte Flash Glucose Monitoring (FGM) angewendet wird.
Diabetesorganisationen kritisieren die Entscheidung, weil es vielen Menschen mit Diabetes die Situation deutlich erschwert, obwohl der (Zusatz-)Nutzen medizinisch belegt ist und viele Menschen mit Diabetes eine eindeutige Indikation aufweisen (siehe Deutsche Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes (DDH‑M), Artikel vom 8. Juli 2015, http://menschen-mit-diabetes.de/neuigkeiten/20150708/bundessozialgericht-entscheidet-gegen-cgm). Indes hätte sich eine Einordnung als Hilfsmittel gut begründen lassen.
„Anspruch auf Hilfsmittel im Rahmen einer ärztlichen Behandlung von einer positiven Empfehlung der Behandlungsmethode durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G‑BA) abhängig
Wird ein Hilfsmittel als untrennbarer Bestandteil einer vertragsärztlichen Behandlungs- oder Untersuchungsmethode eingesetzt, hat die Krankenkasse die Kosten hierfür grundsätzlich erst zu übernehmen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss die Methode positiv bewertet hat. Diese Sperrwirkung hat zur Folge, dass vor einer positiven Empfehlung der Methode weder die Versicherten ein behandlungsbezogenes Hilfsmittel zu Lasten der Krankenkasse erhalten können noch Hersteller solcher Hilfsmittel vom GKV-Spitzenverband verlangen können, dass ihr Hilfsmittel in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen wird. Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf die Sicherung von Nutzen und Wirtschaftlichkeit von Behandlungsmethoden das Prüfungsverfahren bei dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorgeschaltet. Erst wenn diese Prüfung positiv ausgefallen ist, sind die für den Einsatz der dann anerkannten Methode notwendigen Hilfsmittel Gegenstand der Leistungspflicht der Krankenkassen.
Eine Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss ist auch bezüglich bereits anerkannter oder zugelassener Methoden erforderlich, wenn diese im Hinblick auf ihre diagnostische beziehungsweise therapeutische Wirkungsweise, mögliche Risiken und/oder Wirtschaftlichkeitsaspekte eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren.
[…]
In dem Verfahren B 3 KR 5/14 R ist die Revision der Klägerin erfolglos geblieben. Die kontinuierliche Messung des Zuckergehalts im Unterhautfettgewebe unterscheidet sich im Hinblick auf die diagnostische Wirkungsweise sowie mögliche Risiken und Aspekte der Wirtschaftlichkeit erheblich von der herkömmlichen Blutzuckermessung und stellt daher eine „neue“, bisher nicht anerkannte Untersuchungsmethode dar. Solange der Gemeinsame Bundesausschuss hierzu keine positive Empfehlung abgegeben hat, besteht kein Anspruch auf Versorgung mit den Hilfsmitteln, die für die kontinuierliche Blutzuckerbestimmung erforderlich sind.“
Jan hat deutsches und niederländisches Recht in Bremen, Oldenburg und Groningen studiert und ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht in einer Kanzlei für Medizin- und Sozialrecht in Bochum. Außerdem hat er eine Zusatzausbildung im Datenschutz (Datenschutzbeauftragter DSB-TÜV) gemacht. Schon während seines Studiums engagierte er sich ehrenamtlich im Bereich Diabetes, insbesondere zu Gunsten von Kindern und Jugendlichen, und hat die Selbsthilfeorganisation Deutsche Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes (DDH‑M) e. V. mitbegründet und aufgebaut. Er engagiert sich zudem in der Stiftung Stichting Blue Diabetes.