Sicher, man kann sich in langen und breiten Diskussionen um das Institut der steuerlichen Selbstanzeige streiten. Eigentlich ist die Möglichkeit verfehlt, aber und nur das zählt vor dem Hintergrund des Prozesses beim Landgericht München II – es gibt diese Möglichkeit derzeit.
Gemäß § 371 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) ist derjenige straffrei, der eine Straftat nach § 370 Abs. 1 AO (Steuerhinterziehung) begangen hat und im unentdeckten Zustand und freiwillig alles berichtigt und die hinterzogenen Steuern nachzahlt.
§ 371 Abs. 1 AO
Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die hinterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 bestraft.
Ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen oder nicht, kann ich nicht beurteilen und möchte dazu auch nicht spekulieren. Nach dem Urteil des Landgerichts liegen diese Voraussetzungen jedenfalls nicht vor und soweit bisher bekannt ist, war die Tat noch nicht entdeckt, aber die Angaben waren unvollständig. Das klingt auch logisch, schließlich war Steuerhinterziehung i. H. v. 3,5 Mio. Euro angeklagt, später würde es auf über 17 Mio. Euro korrigiert und am Ende „einigte“ man sich auf 27,2 Mio. Euro. Das alles klingt sehr danach als wäre die Anzeige unvollständig gewesen, anderenfalls hätte die Staatsanwaltschaft München auch eine höhere Summe angeklagt. Die Frage ist nun, ob bei Fehlern in der Selbstanzeige diese gar nicht oder nur strafmildernd zu berücksichtigen ist. Die Verteidigung erhoffte sich offenbar, dass die Strafanzeige – auch weil die Straftaten vermutlich sonst nicht entdeckt worden wären – dennoch zur Straffreiheit führt oder zumindest so stark berücksichtigt wird, dass der Angeklagte zwar verurteilt wird, aber nicht ins Gefängnis muss. Wie oben bereits geschrieben ist die Selbstanzeige für Steuerstraftaten etwas außergewöhnliches, das deutsche Recht sieht so etwas vergleichbares sonst nicht vor, schließlich hat derjenige eine vollendete Straftat begangen. Selbstverständlich wirkt sich Einsicht in Fehler und natürlich ein Geständnis und eine Selbstanzeige immer strafmildernd aus, es gibt in Deutschland keine pauschale Bestrafung für ein Delikt, sondern es soll und muss immer die individuelle Schuld des Angeklagten bewertet, alle für und gegen ihn wirkendenden Tatsachen erwogen und dann eine für ihn passende Strafe gebildet werden. In dem hier angeklagten Rahmen – Steuerhinterziehung von 3,5 Mio. Euro – kann ein Geständnis aber nicht mehr zu einer Straffreiheit führen. Schließlich wäre das unter anderen Umständen auch undenkbar, ein Räuber – Raub ist vom Strafmaß her ein ganz ähnliches Delikt – der mit Waffengewalt eine größere Summe erbeutetet wird auch durch eine Selbstanzeige und ein Geständnis keiner Gefängnisstrafe entgehen. Bei der Bildung der Strafe ist auch zu berücksichtigen welche ungeheuren Summen hier im Raume stehen. Spannend wird sein, zu schauen, wie der Bundesgerichtshof über den Fall entscheidet. Vieles ist hier rechtlich ungeklärt, so dass diese Klärung nun dankbarerweise erfolgen kann.
Jan hat deutsches und niederländisches Recht in Bremen, Oldenburg und Groningen studiert und ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht in einer Kanzlei für Medizin- und Sozialrecht in Bochum. Außerdem hat er eine Zusatzausbildung im Datenschutz (Datenschutzbeauftragter DSB-TÜV) gemacht. Schon während seines Studiums engagierte er sich ehrenamtlich im Bereich Diabetes, insbesondere zu Gunsten von Kindern und Jugendlichen, und hat die Selbsthilfeorganisation Deutsche Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes (DDH‑M) e. V. mitbegründet und aufgebaut. Er engagiert sich zudem in der Stiftung Stichting Blue Diabetes.