Das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) verbietet Diskriminierungen u. a. aufgrund einer Behinderung. Es war einige Zeit fraglich, ob damit nur behördlich festgestellte (Schwer-)Behinderungen als Behinderungen gelten oder ob der Begriff weiter zu fassen ist. Wenn eine Person entgegen den Vorschriften diskriminiert wird, steht dieser Person u. a. ein Schadenersatzanspruch zu.
Erneut hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass es für die Frage, ob eine Behinderung vorliegt nicht alleine auf den sozialrechtlichen Status der diskriminierten Person ankommt, vielmehr könnten auch Krankheiten ohne offizielle Anerkennung als Behinderung eine solche sein, die unter das AGG fällt.
Vorliegend klagte ein Arbeitnehmer der an einer symptomlosen HIV-Infektion litt. Nach den Feststellungen des Bundesarbeitsgerichts (Urteil liegt im Volltext noch nicht vor), leiden HIV-infizierte Menschen an Stigmatisierungen und dem Vermeidungsverhalten anderer Menschen, die fürchten sich selber infizieren zu können. Er sollte in einem Reinraumbereich als Chemisch-Technischer Assistent tätig werden, dies ließen die internen Regelungen des Arbeitgebers nicht zu. Das BAG hat entschieden, dass der Arbeitgeber nötigenfalls die notwendigen Maßnahmen zur Absicherung treffen müsse. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg muss nun erneut über die Sache entscheiden und prüfen, ob die Beschäftigung des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber – sofern dieser entsprechende Vorkehrungen trifft – grundsätzlich möglich ist. Sofern dies möglich ist, ist davon auszugehen, dass die Kündigung wegen der Behinderung diskriminierend und damit unwirksam ist.
Neu in der Entscheidung ist gegenüber der vorherigen Rechtsprechung, dass eine Stigmatisierung dafür als ausreichend angesehen wird, dass eine Behinderung im Sinne des AGG vorliegt.
Für Diabetiker ist dies daher interessant, dass das BAG hier abermals die Rechtsprechung fortsetzt, dass eine Behinderung bereits dann vorliegt, wenn die Person „lediglich“ erkrankt ist. Insofern können sich wohl auch Diabetiker im Falle von Diskriminierungen auf das AGG berufen, die nicht von dem zuständigen Integrationsamt als (schwer-)behindert anerkannt sind.
Jan hat deutsches und niederländisches Recht in Bremen, Oldenburg und Groningen studiert und ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht in einer Kanzlei für Medizin- und Sozialrecht in Bochum. Außerdem hat er eine Zusatzausbildung im Datenschutz (Datenschutzbeauftragter DSB-TÜV) gemacht. Schon während seines Studiums engagierte er sich ehrenamtlich im Bereich Diabetes, insbesondere zu Gunsten von Kindern und Jugendlichen, und hat die Selbsthilfeorganisation Deutsche Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes (DDH‑M) e. V. mitbegründet und aufgebaut. Er engagiert sich zudem in der Stiftung Stichting Blue Diabetes.