Eine leider viel zu häufige Situation: Man fährt mit einem Auto und es passiert ein Unfall. Die Polizei kommt und versucht den Unfallhergang zu klären. Wie verhalte ich mich in einem solchen Fall?
Die gute Nachricht vorweg, Diabetiker sind nicht häufiger in Unfälle verwickelt, als andere Verkehrsteilnehmer auch.
Zunächst ist immer sofort der Unfallort zu sichern. Man hat also ein Warndreieck aufzustellen und das Warnblinklicht einzuschalten. Sodann sind Verletzte zu versorgen und ggf. der Rettungsdienst zu verständigen. Wenn die Polizei den Unfallort erreicht wird sie zunächst – nach einer möglicherweise weiteren notwendigen Sicherung der Unfallstelle – eine Bestandsaufnahme durchführen, also prüfen welche Fahrzeuge in den Unfall verwickelt waren, wer diese Gefahren hat und ob es Verletzte gibt. Außerdem werden sich die Polizisten nach Zeugen erkundigen. Zumindest von den Fahrzeugführern der Unfallfahrzeuge werden die Polizisten auch die Fahrerlaubnis prüfen und die Personalien feststellen, darüber hinaus holen die Polizisten Erkundigungen bei allen Beteiligten ein. Fragen zur eigenen Identität muss man wahrheitsgemäß und vollständig beantworten, sofern die Polizei sich danach erkundigen darf, das ist bei einem Unfall regeläßig der Fall. So regeln die Polizeigesetze (PolG) der Länder regelmäßig die Auskunftspflicht, beispielhaft sei § 9 PolG des Landes Nordrhein-Westfalen genannt. Gemäß § 9 Abs. 2 PolG NRW darf sich die Polizei nach dem Namen, dem Vornamen, dem Tag und dem Ort der Geburt, der Wohnanschrift und der Staatsangehörigkeit erkundigen. Zur Sache muss man sich grundsätzlich der Polizei gegenüber nicht äußern, das heißt auch, dass man sich nicht zum Unfallhergang äußern muss. Die Staatsanwaltschaft und das Gericht können zwar nachgelagert das Erscheinen zu einer Befragung nach § 133 StPO anordnen und ggf. auch Zwangsmaßnahmen anwenden, dafür muss man aber bereits Beschuldigter sein, auch Zeugen sind gegenüber einer Ladung der Staatsanwaltschaft zum Erscheinen verpflichtet (vgl. §§ 48 Abs. 1, 161a Abs. 1 StPO).
Allerdings können auch diese Organe keine Aussage zur Sache erzwingen, wenn man sich dazu selber belasten müsste. Denn keiner ist dazu verpflichtet sich selber zu belasten § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO. Die Polizei kann nach herrschender Meinung noch nicht einmal das Erscheinen für eine nachgelagerte Befragung verlangen, denn hierfür fehlt es bereits an einer entsprechenden Ermächtigungsgrundlage.
Dies vorweggenommen sollten Diabetiker keinesfalls selber auf eine Diabetes Erkrankung hinweisen, ebenfalls sollte man nicht den Diabetes als Entschuldigung für einen Unfall verwenden. Die Aussage „ich war unterzuckert und habe daher den Unfall verursacht“ führt lediglich dazu, dass die Erteilung des Führerscheins widderufen wird, weil es an der gesundheitlichen Eignung mangelt. Aber auch, wenn die Polizei selber auf die Idee kommt, dass einer der unfallbeteiligten Diabetiker sein könnte, sollte man tunlichst auf Angaben zur Sache verzichten. In einem solchen Fall sollte man sich zu den Personalien äußern und sich ausweisen und alle – auch nur die kleinsten – Aussagen zum Sachverhalt verweigern und sich zunächst mit einem spezialisierten Rechtsanwalt zusammensetzen. Der wird mit dem Mandanten dann zusammen eine schriftliche Aussage entwickeln. Nur dieser kann einzelfallbezogen beraten und sprichwörtlich das beste aus der Situation machen. Hier sollte man sich auch keinesfalls von der Polizei unter Druck setzen lassen.
Grundsätzlich muss man vorsichtig sein, wenn man sich zur Sache äußert da diese Inhalte umfangreich protokolliert werden und im Falle eines nachgehenden Rechtsstreits häufig zum Verhängnis werden können. Auch aus versicherungsrechtlichen Gründen ist Vorsicht bei Schuldeingeständnissen geboten, da dies unter Umständen zum Verlust des Versicherungsschutzes führen kann. Es ist zwar jedem erlaubt den Unfallhergang zu beschreiben eine Feststellung über die Schuld an dem Unfall darf man jedoch nicht abgeben, da die Versicherung so ggf. aller möglichen Verteidigungsmittel beraubt wird. Man muss immer bedenken, juristisch wird der Unfall meist erst Wochen oder Monate später aufgearbeitet und auch dann können noch alle Aussagen gemacht und der genaue Hergang geklärt werden, leider neigt man aufgrund der Aufregung zu allzu unüberlegten Aussagen.
Sollte man vor Ort (not-)ärztlich behandelt werden schadet es nicht in einem unbeobachteten Moment die Behandler auf die ärztliche Schweigepflicht zu verweisen, insbesondere gehört auch die Tatsache, dass man Diabetiker ist zur ärztlichen Schweigepflicht. Diese gilt auch zwischen Arzt/Behandler und Polizei, sofern der Arzt die Polizei also auf die Diabetes-Erkrankung hinweist verstößt er gegen seine Schweigepflicht.
P. S.: Bei einer Unterzuckerung sollte man – wie man es in der Schulung gelernt hat – zunächst einmal diese bekämpfen, das darf man auch „heimlich“ tun.
Jan hat deutsches und niederländisches Recht in Bremen, Oldenburg und Groningen studiert und ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht in einer Kanzlei für Medizin- und Sozialrecht in Bochum. Außerdem hat er eine Zusatzausbildung im Datenschutz (Datenschutzbeauftragter DSB-TÜV) gemacht. Schon während seines Studiums engagierte er sich ehrenamtlich im Bereich Diabetes, insbesondere zu Gunsten von Kindern und Jugendlichen, und hat die Selbsthilfeorganisation Deutsche Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes (DDH‑M) e. V. mitbegründet und aufgebaut. Er engagiert sich zudem in der Stiftung Stichting Blue Diabetes.