In einem vom Oberlandesgericht (OLG) Koblenz (OLG Koblenz, Teilurteil vom 02.04.2014 – 5 U 311/12) entschiedenen Fall hatte ein Elektrohandwerker seiner Nachbarin und Hauseigentümerin dabei geholfen eine Außenlampe anzubringen.
Grundsätzlich ist anerkannt, dass auch solche Gefälligkeitsarbeiten unter gewissen Umständen einen Rechtsbindungswillen desjenigen umfassen, dass derjenige der unentgeltlich seinem Nachbarn hilft, für seine Arbeit haftet (so schon BGH, Urteil vom 22.06.1956 – I ZR 198/54).
Aufgrund eines durchtrennten Schutzleiters in der Wand, der wohl durch einen Nagel von Ihnen zerstört wurde, stand das Gehäuse der Lampe unter Strom. Hieran verletzte sich eine andere Person (Mitarbeiter eines Fassadenunternehmens, das Arbeiten an dem Gebäude vorgenommen hatte), die beide auf Schadenersatz in Anspruch nahm. Der Verletzte ist aufgrund des Unfalls mit einem GdB von 100 schwerbehindert und stark pflegebedürftig.
Für die Haftung des helfenden Nachbarn stand nun im Streit, ob er mit Rechtsbindungswillen handelte und deswegen haften muss oder, ob er die Haftung (konkludent, also den Umständen nach) ausgeschlossen hatte. Hierzu führt das OLG Koblenz aus:
„[…] Ob ein Rechtsbindungswille vorhanden ist, richtet sich dabei nicht nach dem inneren Willen des Leistenden […], sondern danach, ob der Leistungsempfänger […] aus dem Handeln des Leistenden unter den gegebenen Umständen nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auf einen solchen Willen schließen durfte […].Es kommt also darauf an, wie sich dem objektiven Beobachter das Handeln des Leistenden darstellt. Art der Gefälligkeit, ihr Grund und Zweck, ihre wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung, insbesondere für den Empfänger, die Umstände, unter denen sie erwiesen wird, und die dabei bestehende Interessenlage der Parteien können die Gefälligkeit über den Bereich rein tatsächlicher Vorgänge hinausheben und sind daher für die Beurteilung der Frage des Bindungswillens und der Natur des etwa in Betracht kommenden Rechtsgeschäftes heranzuziehen. Der Wert einer anvertrauten Sache, die wirtschaftliche Bedeutung einer Angelegenheit, das erkennbare Interesse des Begünstigten und die nicht ihm, wohl aber dem Leistenden erkennbare Gefahr, in die er durch eine fehlerhafte Leistung geraten kann, können auf einen rechtlichen Bindungswillen schließen lassen […]. Auch darf nicht außer Betracht bleiben, ob der Leistende für die Folgen eines schadenstiftenden Fehlers haftpflichtversichert ist. […]“ (vgl. OLG Koblenz, Teilurteil vom 02.04.2014 – 5 U 311/12; Auslassungen und Hervorhebungen durch den Autor).
Dies ist für die Nachbarschaftshilfe eine schwer mit der Realität zu vereinbarende Problematik, da es im höchsten Maße unüblich ist, seinem Nachbarn zu sagen: Ich helfe Dir gerne, ich schließe aber die Haftung aus. Dies ist einem Laien kaum vermittelbar. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Nachbarschaftshilfe regelmäßig kostenlos erfolgt, ist es schwer verständlich, dass der helfende auch haften muss. Insbesondere ist die Höhe unbeschränkt. In diesem Fall betrug der Streitwert EUR 1.227.154,27, wobei der tatsächliche Schadenersatz hier wesentlich höher liegen dürfte. Allerdings steht diese Rechtsprechung in einer Reihe zahlreicher ähnlicher Urteile.
Für den Nachbarn in diesem Fall dürfte es jedoch glimpflich ausgegangen sein, da er nach den Feststellungen des OLG Koblenz hinsichtlich des Schadens haftpflichtversichert ist.
Jan hat deutsches und niederländisches Recht in Bremen, Oldenburg und Groningen studiert und ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht in einer Kanzlei für Medizin- und Sozialrecht in Bochum. Außerdem hat er eine Zusatzausbildung im Datenschutz (Datenschutzbeauftragter DSB-TÜV) gemacht. Schon während seines Studiums engagierte er sich ehrenamtlich im Bereich Diabetes, insbesondere zu Gunsten von Kindern und Jugendlichen, und hat die Selbsthilfeorganisation Deutsche Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes (DDH‑M) e. V. mitbegründet und aufgebaut. Er engagiert sich zudem in der Stiftung Stichting Blue Diabetes.