Bereits vor einigen Tagen habe ich etwas dazu geschrieben, dass eine Gleichstellung im Falle einer festgestellten Behinderung mit einem GdB < 50 im Falle von Diabetes für das Verbeamtungsverfahren hilfreich sein kann.
Kürzlich hatte das BVerwG über zwei Fälle zu entscheiden. Geklagt hatten zwei behinderte Lehrer im Angestelltenverhältnis, die in das Beamtenverhältnis (hier: auf Probe) übernommen werden wollten. Unter Hinweis auf ihre Erkrankung (Multiple Sklerose und Verformung der Brustwirbelsäule), wurde diese Übernahme abgelehnt; allerdings konnten sie weiter im Angestelltenverhältnis tätig sein.
Hintergrund
Im Beamtenverhältnis gibt es eine weit über die arbeitsrechtlich hinausgehende Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber den Beamten. Das beinhaltet u. a. die Beihilfe zur Gesundheitsabsicherung in Höhe von 50% der Kosten sowie ein „Ruhegehalt“, das grundsätzlich anders berechnet wird als die „Rente“. Außerdem erhalten Beamte auch im Falle der Erkrankung dauerhaft ihren „Sold“ fortgezahlt, eine Kürzung nach sechs Wochen, wie es bei Arbeitnehmern der Fall ist, wenn die Krankenkasse die Zahlung des Gehaltes übernimmt, findet nicht statt. Beamte erhalten lediglich dann eine Kürzung, wenn die Erkrankung/Dienstunfähigkeit dauerhaft ist und sie in den vorzeitigen Ruhestand versetzt werden. Aus diesem Grund findet vor der Verbeamtung eine umfassende Gesundheitsprüfung statt, weswegen auch Diabetiker häufig nicht in das Beamtenverhältnis übernommen werden. Grundsätzlich ist eine Dienstfähigkeit für die gesamte Dienstzeit zu prüfen, bei Schwerbehinderten, gilt dies nur sehr beschränkt (Pressemitteilung DDH‑M und diabetesDE vom 01. März 2013), ebenso bei mit schwerbehinderten gleichgestellte Personen (Blogbeitrag vom 17. Juli 2013).
Entscheidung
Als Maßstab gilt, dass ein Bewerber nachweisen muss, dass für eine Dienstfähigkeit bis zur Pensionierung (Regelaltersgrenze) eine hohe Wahrscheinlichkeit spricht. Diesen Maßstab hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) grundsätzlich als zulässig bewertet, allerdings muss bei behinderten Arbeitnehmern (die nicht gleichgestellt sind, hierzu brauchte sich das BVerwG nicht zu äußern) ein abweichender Maßstab gelten. Behinderte Bewerber sind bereits dann gesundheitlich geeignet, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass sie bis zur Pensionierung Dienst tun können (vgl. BVerwG, Urteile vom 25.07.2013, Az.: 2 C 12/11, 2 C 18/12, liegt noch nicht im Volltext vor). Behindert ist ein Mensch, bei dem durch die zuständige Behörde eine Behinderung festgestellt wurde und bei der ein GdB (Grad der Behinderung) kleiner als 50 festgestellt wurde, während eine Person mit einem GdB größer oder gleich 50 als schwerbehindert gilt.
Kommentar
Für Diabetiker dürfte dieses Urteil keinerlei Rechtssicherheit bringen. Insbesondere in Nordrhein-Westfalen müssen Diabetiker nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster davon ausgehen, dass bei Diabetikern die gesundheitliche Eignung abgestritten wird. Auch die (geringfügige) Absenkung des Maßstabs durch das BVerwG dürfte hier leider keine Besserung bringen; auch wenn es im Falle von Diabetikern eigentlich keinen Grund (mehr) gibt, davon auszugehen, dass der Mitarbeiter vorzeitig pensioniert wird. Die Erfahrung spricht dafür, dass die Behandlung inzwischen so gut ist, dass eine krankheitsbedingte Dienst- oder Arbeitsunfähigkeit in der Regel nicht zu befürchten ist, zumindest nicht in höherem Maß als im Mittel der üblichen Arbeitnehmer (die insbesondere auch dann verbeamtet werden, wenn sie rauchen). Das OVG Münster hingegen geht davon aus, dass man nicht unterstellen dürfe, dass sich Beamte gesundheitsbewusst verhalten und ist dann davon ausgegangen, dass ein Ausscheiden vor Erreichen der Regelaltersgrenze wahrscheinlich ist. Diabetiker können dieses Problem nur dadurch sicher umgehen, in dem sie einen Antrag auf Feststellung einer Schwerbehindung stellen, für Schwerbehinderte ist allgemein anerkannt, dass dann (regional unterschiedlich) eine Dienstfähigkeit über einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren und damit nicht bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze geprüft wird. Ähnliches gilt für gleichgestellte Bewerber.
Jan hat deutsches und niederländisches Recht in Bremen, Oldenburg und Groningen studiert und ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht in einer Kanzlei für Medizin- und Sozialrecht in Bochum. Außerdem hat er eine Zusatzausbildung im Datenschutz (Datenschutzbeauftragter DSB-TÜV) gemacht. Schon während seines Studiums engagierte er sich ehrenamtlich im Bereich Diabetes, insbesondere zu Gunsten von Kindern und Jugendlichen, und hat die Selbsthilfeorganisation Deutsche Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes (DDH‑M) e. V. mitbegründet und aufgebaut. Er engagiert sich zudem in der Stiftung Stichting Blue Diabetes.