Ein (kurio­ser) Tag beim Gesund­heits­amt wegen Dia­be­tes und Prüfungen

Ich war Anfang März beim Gesund­heits­amt in Bottrop.

Kur­zer Rein­ho­ler oder Vorgeschichte

Ich muss nun in Kür­ze an den Klau­su­ren der zwei­ten juris­ti­schen Prü­fung teil­neh­men. Dabei han­delt es sich um ins­ge­samt acht Klau­su­ren mit einer Dau­er von jeweils fünf Stun­den, die inner­halb von rund zwei Wochen geschrie­ben wer­den müs­sen. Nur um sicher zu gehen und nicht zwi­schen­durch ein böses Erwa­chen zu haben, habe ich auf dem Dienst­weg beim zustän­di­gen Jus­tiz­prü­fungs­amt bean­tragt, dass mei­ne Insu­lin­pum­pe, ein Blut­zu­cker­mess­ge­rät und Glu­ko­se­sen­so­ren als zusätz­li­che medi­zi­ni­sche Hilfs­mit­tel zuge­las­sen wer­den. Das war bei der ers­ten juris­ti­schen Prü­fung kein Pro­blem; ich dach­te auch, dass das dies­mal kein Pro­blem dar­stel­len wür­de. Das Lan­des­jus­tiz­prü­fungs­amt woll­te dafür ger­ne ein Gut­ach­ten des Amts­arz­tes haben.

Die Odys­see beim Amt 53

Gesagt getan, ich habe mir ein Ter­min beim Amts­arzt in Bot­trop geholt. Mög­li­cher­wei­se etwas naiv dach­te ich, das kann ja nicht so schwer sein. Der Amts­arzt stellt anhand der Arzt­be­rich­te fest, dass sich bei mir wohl ein Dia­be­tes mel­li­tus mani­fes­tiert hat und zieht dann die ent­spre­chen­den Schlüs­se. Um es in eine kur­ze For­mel zu packen:

Dia­be­tes + Staats­prü­fung – Insu­lin­pum­pe – Blut­zu­cker­mess­ge­rät = blö­de Situation

Nun, zunächst woll­te der Amts­arzt wis­sen, wel­che Rechts­grund­la­ge mich ver­pflich­tet, zum Amts­arzt zu gehen. Gut, dach­te ich mir, das kann man ja leicht auf­klä­ren. Grund­sätz­lich lässt es die Prü­fungs­ord­nung zu, dass ich den Raum nor­mal beklei­det betre­te ohne tech­ni­sche Gerä­te. Eine Insu­lin­pum­pe und ein Blut­zu­cker­mess­ge­rät ist aber ein tech­ni­sches Gerät, dass für einen Lai­en zu Ver­wir­run­gen (Täu­schungs­ver­such mög­lich, ja oder nein, das ist hier die Fra­ge) füh­ren könn­te. Nun ja, ent­spre­chend geant­wor­tet und erklärt, dass das Lan­des­jus­tiz­prü­fungs­amt mei­ne Hilfs­mit­tel nur gegen die Bestä­ti­gung der medi­zi­ni­schen Not­wen­dig­keit zulas­sen wird. Lei­der über­zeug­te das wohl nicht und der Arzt – es lebe die Büro­kra­tie – ver­lang­te wei­ter nach der Rechts­grund­la­ge. Ich wies indes dezent dar­auf hin, dass es dar­auf im Ergeb­nis nicht ankom­me, denn das ent­spre­chen­de Gut­ach­ten kann man ja leicht bei­brin­gen; über die medi­zi­ni­sche Not­wen­dig­keit dürf­te es ja eigent­lich kei­ne zwei Mei­nun­gen geben. Falsch gedacht, auf die Fra­ge, was ich denn beruf­lich mach­te, ant­wor­te­te ich, ich sei Jurist. Dar­auf sag­te der Amts­arzt dann vol­ler Inbrunst juris­ti­schen Halb­wis­sens: Wenn ich doch Jurist sei, müs­se ich doch erst Recht wis­sen, dass es eine Rechts­grund­la­ge geben müs­se. Dar­auf­hin teil­te ich ihm mit, dass das Juris­ten­aus­bil­dungs­ge­setz nun ein­mal dem Lan­des­jus­tiz­prü­fungs­amt zu der Aus­ge­stal­tung der Prü­fung ermäch­tigt und es auf eine Rechts­grund­la­ge nicht ankom­me. Schließ­lich ist eine Rechts­grund­la­ge dann not­wen­dig, wenn der Staat gegen den Wil­len des Bür­gers in des­sen Rech­te ein­greift; ich war jedoch frei­wil­lig da, denn ich habe einen Antrag gestellt, dann muss die Behör­de die Tat­sa­chen ermit­teln; wie soll­te die Behör­de denn ohne eine aus­rei­chen­de Tat­sa­chen­grund­la­ge entscheiden.

Ers­te Hür­de vor­erst bei­sei­te gestellt. Nun kamen wir zu den medi­zi­ni­schen Aspek­ten, damit wur­de es eher noch kom­pli­zier­ter. Zunächst wur­de ich nach mei­ner gan­zen Lebens­ge­schich­te befragt – ich bin sicher der Amts­arzt könn­te mein Bio­graf wer­den. Bei der sozi­al­me­di­zi­ni­schen Ana­mne­se sag­te ich, ich woh­ne in einem Haus mit Gar­ten etc. Dar­auf­hin frag­te mich der Arzt doch glatt, ob ich das trotz der Dia­be­tes­er­kran­kung ohne Schwie­rig­kei­ten erle­di­gen kön­ne, mit Haus, Gar­ten, … Ich dach­te ich bin in einem fal­schen Film, aber der Arzt mein­te das wohl tat­säch­lich lei­der ernst. Schein­bar ging er davon aus, ich müs­se – ich bin ja Dia­be­ti­ker – auch geis­tig behin­dert sein und woh­ne in einer Ein­rich­tung für Men­schen mit geis­ti­gen Behin­de­run­gen; jeden­falls habe ich mich so gefühlt.

Spä­ter woll­te er dann mein Blut­zu­cker­ta­ge­buch haben. Da sag­te ich, das sein kein Pro­blem, das wür­de ich kurz­fris­tig zuschi­cken. Sicher­heits­hal­ber frag­te ich noch nach dem Zeit­raum. Dar­auf­hin ant­wor­te­te er, ein Jahr sol­le zunächst ein­mal rei­chen. Ich sag­te, das sei kein Pro­blem. Der Amts­arzt ergänz­te dar­auf­hin, das Tage­buch sol­le aber nicht län­ger als eine Din A4 Sei­te sein. Ich sag­te, das sei aber schwie­rig, ich gin­ge eher von gut 150 Sei­ten aus. Das fand er wohl voll­kom­men unver­ständ­lich; dar­auf­hin erklär­te ich, dass ein Jahr 365 Tage hat. Das Tage­buch ent­hält für jeden Tag aber ca. acht Blut­zu­cker­wer­te und zudem die KE, die Insu­lin­ein­hei­ten und etwa­ige Kor­rek­tu­ren. Der Amts­arzt teil­te mir dann mit, dass er dann wohl doch eher den DMP-Bericht mei­ne. Gut, ent­geg­ne­te ich, das sind vier Sei­ten (für jedes Quar­tal eine).

Kom­men wir zum HbA1c; zunächst stell­te der Amts­arzt fest, dass der letz­te HbA1c 6,7% gewe­sen sei. Denk­pau­se! Der sei ja zu hoch, der HbA1c sol­le ja deut­lich nied­ri­ger sein. Ich sag­te dar­auf­hin, die Leit­li­ni­en sähen einen HbA1c von < 7,5% vor; ergo, mit­ten drin. Dar­auf­hin wur­de ich belehrt: So kön­ne man das nicht sehen, der HbA1c sol­le mög­lichst nied­rig sein (wie nied­rig konn­te man mir auch nicht sagen, ich hof­fe nicht 1%), um Fol­ge­schä­den vor­zu­beu­gen. Gut, kurz fest­ge­stellt, dass das Schwach­sinn ist, zwei Blut­zu­cker­wer­te (250 mg/dl und 20 mg/dl erge­ben einen Durch­schnitts­blut­zu­cker von 135 mg/dl und damit einen HbA1c von 6,6%; ob das dann bes­ser ist, mag dahin­ge­stellt blei­ben) bzw. ein HbA1c kei­ne Aus­sa­ge besit­zen. Viel­mehr wur­de inzwi­schen nach­ge­wie­sen, dass stän­di­ge und star­ke Schwan­kun­gen viel stär­ker zu Fol­ge­schä­den füh­ren kön­nen als stän­dig höhe­re Blutzuckerwerte.

Dar­auf­hin frag­te er mich, ob ich in der Insu­lin­pum­pe Alt­in­su­lin habe. Ich teil­te dar­auf­hin mit, dass ich kein Alt­in­su­lin ver­wen­de­te, son­dern Ana­log­in­su­lin nut­ze. Dar­auf­hin sag­te er ent­schie­den, ach­so, Huma­log! Ich, nein, kein Huma­log, Ana­log. Der Amts­arzt dann wie­der, also Huma­log, ich nein NovoR­a­pid. Das führ­te aber lei­der zu wenig Erfolg. Nun ja, nächs­ter Schritt. War­um ich denn über­haupt eine Zeit­kom­pen­sa­ti­on bräuch­te in der Prü­fung. Ich teil­te mit, naja ich hät­te fünf Stun­den Zeit, die Zeit ist so aus­ge­legt, dass man schon rich­tig hart arbei­ten muss, um die Akte in dem Zeit­raum zu schaf­fen, wenn ich unter­zu­cker­te dau­er­te es ca. 3045 Minu­ten, bis ich wie­der voll leis­tungs­fä­hig bin. Dafür müs­se es im Fall der Fäl­le einen Zeit­aus­gleich geben kön­nen. Dar­auf­hin wur­de ich belehrt, dass das ja nicht stim­me. Ich ver­wen­de­te ja schnell­wirk­sa­mes Insu­lin, eine Unter­zu­cke­rung sei dann ja nicht das Pro­blem, das Insu­lin wir­ke ja sofort. Da habe ich ver­sucht auf­zu­klä­ren, dass das der­zeit medi­zi­nisch-tech­nisch nicht mög­lich sei, ein Insu­lin zu ver­mark­ten, dass sofort wir­ke. Letzt­lich muss das Insu­lin ja auch ver­stoff­wech­selt wer­den. Das schnell­wirk­sa­me Insu­lin – ah, da war der Fach­ter­mi­nus ja wie­der: Ana­log­in­su­lin – braucht letzt­lich auch 1530 Minu­ten bis zum Wirkbeginn. Gut, gekauft.

Dann die nächs­te Fra­ge, war­um wol­le ich ein Blut­zu­cker­mess­ge­rät mit­neh­men, ich kön­ne ja manu­ell her­kömm­lich mes­sen. Lei­der bekam ich auf mei­ne Fra­ge, wie das ohne Mess­ge­rät gehen sol­le, kei­ne Ant­wort. Ich den­ke mal im Klau­sur­raum auf einen Strei­fen zu pin­keln und den Strei­fen dann im Licht zu wen­den ist kei­ne ech­te Alter­na­ti­ve; nicht ein­mal in büro­kra­ti­schen Amtsstuben.

Dann kam der nächs­te Schach­zug der Büro­kra­tie: Ich kön­ne ja auf Sprit­zen umstel­len. Dar­auf­hin teil­te ich mit, dass das wohl kaum eine Opti­on sei, einer­seits dau­er­te es durch­aus eini­ge Zeit, damit die Umstel­lung funk­tio­niert (Basal­ra­te erra­ten und anpas­sen), außer­dem wird dadurch ten­den­zi­ell das Unter­zu­cke­rungs­ri­si­ko erhöht, ohne dass es etwas nützt. Und davon mal ganz ab, habe ich ja nicht aus Jux und Dol­le­rei auf die Pum­pe umge­stellt (Stich­wort Dawn-Phä­no­men, schwer in den Griff zu bekom­men­de Blutzuckerwerte).

Wenn nichts geht, geht eine Rechtsgrundlage

Nun war­ten wir noch auf eine Bestä­ti­gung des Lan­des­jus­tiz­prü­fungs­amt unter Benen­nung der Rechts­grund­la­gen. Oder wir ver­wei­sen mal spon­tan auf die Dienst­an­wei­sun­gen für Amts­ärz­te, die sol­che Prü­fungs­un­ter­su­chun­gen wohl vor­se­hen. Lei­der sind die intern und nicht extern abrufbar.

Dia­be­ti­ker sein oder nicht sein, das ist hier die Frage

Die Fra­ge, ob ich Dia­be­tes habe, scheint hin­ge­gen schwer zu beant­wor­ten zu sein. Der Amts­arzt möch­te nun ger­ne den Arzt­be­richt zu mei­ner Mani­fes­ta­ti­on lesen; das ist ja auch noch nicht lan­ge her. Das war ja erst kürz­lich im April 2001(!). Ja nee, ist klar, und quar­tals­wei­se zu dem Dia­be­to­lo­gen gehe ich auch eher aus Jux und Dol­le­rei, die Kran­ken­kas­se hat auch nichts dage­gen vie­le tau­send Euro in einen Simu­lan­ten zu inves­tie­ren und das Insu­lin führt nur des­we­gen – trotz funk­tio­nie­ren­der Bauch­spei­chel­drü­se – nicht zu schwe­ren Unter­zu­cke­run­gen, weil ich mich mit Zucker voll­pum­pe. Ja nee is klar!

Wich­ti­ger Hinweis

Der Bei­trag ist zeit­lich ver­setzt erschie­nen, um (sicher­heits­hal­ber) die Ertei­lung des Gut­ach­tens abzu­war­ten. Die­ses wur­de inzwi­schen ent­spre­chend erteilt. Neue – mir unbe­kann­te – medi­zi­ni­sche Erkennt­nis­se gibt es wohl nicht, daher brau­che ich wei­ter­hin eine Insu­lin und Test­strei­fen, scha­de. Immer­hin darf ich nun mei­ne Insu­lin­pum­pe, mein Blut­zu­cker­mess­ge­rät und Sen­so­ren mit zur Prü­fung nehmen.

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