Das Landgericht Coburg hatte kürzlich über einen Fall zu entscheiden (LG Coburg, Urteil vom 23. Mai 2012, Az.: 21 O 50/11), bei dem ein Mann eine Berufsunfähigkeit im Februar 2007 beantragte und in der Folge tatsächlich berufsunhig wurde. Er hatte angegeben, dass es – abgesehen von einer Knochenmarkspende – keine Vorerkrankungen gäbe. Allerdings hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits eine Computertomografie gemacht und war bereits vier Wochen krank geschrieben.
Nach dem der Mann berufsunfähig wurde hatte die Versicherung den Vertragsschluss aufgrund von § 123 Abs. 1 Alternative 1 BGB angefochten. Sie trug vor, dass der Versicherungsnehmer bei der Antragsstellung arglistig über seinen Gesundheitszustand getäuscht habe. Der Mann trug hingegen vor, dass ihm nicht bewusst gewesen sei, dass es sich bei seinem Leiden um eine schwere Erkrankung handelte und er gedacht habe, dass er diese nicht angeben müsse.
Das Gericht entschied, dass der Mann objektiv falsche Angaben gemacht habe. Laut dem Landgericht ist es ein Indiz für arglistiges Handeln, wenn man eine schwere Erkrankung verschweige.
Das Urteil ist bereits rechtskräftig.
Rechtliche Grundlagen
Nach § 19 Abs. 1 VVG ist ein Antragsteller einer Versicherung verpflichtet, Fragen, die ein Versicherer zu den Gefahrumständen vor Abschluss der Versicherung stellt wahrheitsgemäß zu beantworten. Diese Fragen müssen dem Antragsteller in Textform vorgelegt werden. Macht der Antragsteller falsche Angaben kann der Versicherer nach Vertragsabschluss gemäß § 19 Abs. 2 VVG zurücktreten. Der Versicherungsnehmer erhält dann, nachdem sich die Gefahr verwirklicht hat, keine Versicherungsleistungen. Voraussetzung dafür ist, dass ein Antragsteller diese Fragen vorsätzlich oder grob fahrlässig falsch beantwortet, vgl. § 19 Abs. 3 Satz 1 VVG.
Außerdem können die Versicherer nach §§ 123 Abs. 1 Alternative 1 BGB, 22 VVG anfechten. Der Versicherer wird dann sagen, dass er beim Vertragsschluss arglistig getäuscht wurde und den Versicherungsvertrag nicht abgeschlossen hätte, wenn er von den korrekten Umständen gewusst hätte. Der Vertrag ist dann rückabzuwickeln.
Bei dem Abschluss von Berufsunfähigkeitsversicherungen wird regelmäßig eine Gesundheitsprüfung durchgeführt, hierbei muss der Antragsteller angeben, unter welchen Krankheiten er in den letzten fünf Jahren litt. Für Diabetiker bedeutet dies leider, dass diese in der Regel keine Berufsunfähigkeitsversicherungen bekommen. Das liegt daran, dass die Versicherungen so kalkulieren, dass sie in praktisch allen Fällen Gewinne erzielen. Das Risiko einen Diabetiker zu versichern ist jedoch bedeutend höher, als einen „an nichts Erkrankten“ zu versichern. Deswegen werden zumindest immer sehr hohe Risikoaufschläge erhoben.
Wenn erst einmal der Versicherungsfall eingetreten ist suchen Versicherungen nach Gründen nicht leisten zu müssen. In dem Zusammenhang wird der Gesundheitsfragebogen noch einmal gründlich geprüft und Kontakt zu den behandelnden Ärzten aufgenommen. Die Versicherer lassen sich nämlich regelmäßig eine Entbindung von der Schweigepflicht geben.
Es ist daher sinnvoll wahrheitsgemäß und umfassend auf derartige Fragen zu beantworten. Tut man das nicht erhält man aller Wahrscheinlichkeit nach keine Versicherungsleistungen. Einen Schnupfen muss man jedoch nicht angeben.
§ 123 BGB Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung
(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.
(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.
§ 19 VVG Anzeigepflicht
(1) Der Versicherungsnehmer hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen. Stellt der Versicherer nach der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers, aber vor Vertragsannahme Fragen im Sinn des Satzes 1, ist der Versicherungsnehmer auch insoweit zur Anzeige verpflichtet.
(2) Verletzt der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht nach Absatz 1, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten.
(3) Das Rücktrittsrecht des Versicherers ist ausgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. In diesem Fall hat der Versicherer das Recht, den Vertrag unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zu kündigen.
(4) Das Rücktrittsrecht des Versicherers wegen grob fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflicht und sein Kündigungsrecht nach Absatz 3 Satz 2 sind ausgeschlossen, wenn er den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte. Die anderen Bedingungen werden auf Verlangen des Versicherers rückwirkend, bei einer vom Versicherungsnehmer nicht zu vertretenden Pflichtverletzung ab der laufenden Versicherungsperiode Vertragsbestandteil.
(5) Dem Versicherer stehen die Rechte nach den Absätzen 2 bis 4 nur zu, wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat. Die Rechte sind ausgeschlossen, wenn der Versicherer den nicht angezeigten Gefahrumstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige kannte.
(6) Erhöht sich im Fall des Absatzes 4 Satz 2 durch eine Vertragsänderung die Prämie um mehr als 10 Prozent oder schließt der Versicherer die Gefahrabsicherung für den nicht angezeigten Umstand aus, kann der Versicherungsnehmer den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des Versicherers ohne Einhaltung einer Frist kündigen. Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer in der Mitteilung auf dieses Recht hinzuweisen.
Jan hat deutsches und niederländisches Recht in Bremen, Oldenburg und Groningen studiert und ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht in einer Kanzlei für Medizin- und Sozialrecht in Bochum. Außerdem hat er eine Zusatzausbildung im Datenschutz (Datenschutzbeauftragter DSB-TÜV) gemacht. Schon während seines Studiums engagierte er sich ehrenamtlich im Bereich Diabetes, insbesondere zu Gunsten von Kindern und Jugendlichen, und hat die Selbsthilfeorganisation Deutsche Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes (DDH‑M) e. V. mitbegründet und aufgebaut. Er engagiert sich zudem in der Stiftung Stichting Blue Diabetes.