Viele von euch kennen das Problem. Ihr habt eine Insulinpumpe oder ein kontinuierliches Glukosemesssystem (CGM) beantragt und erhaltet von der Krankenkasse eine Ablehnung. Dann stellt sich erst einmal Ernüchterung ein, denn ihr beantragt das Hilfsmittel ja nicht zum Spaß, sondern weil ihr eure medizinische Therapie und/oder eure Lebensqualität verbessern wollt. Dass das notwendig ist, liegt ebenfalls nicht an euch, sondern an einer Krankheit.
Wie gehe ich also gegen eine (rechtswidrige) Ablehnung meines Antrages vor?
In diesem Text stelle ich euch die rechtlichen Möglichkeiten gegen die Ablehnung eines Hilfsmittels durch die Krankenkasse Schritt für Schritt dar. Ihr könnt dort lesen, wie ihr abwägt, ob ihr Widerspruch erhebt und die Fristen berechnet. Außerdem zeige ich euch, wie ihr einen Widerspruch erhebt und welche Anforderungen an eine Klage zu stellen sind sowie die Kosten des Klageverfahrens. Am Ende des Textes findet ihr auch ein Beispiel für eine Klage. Obgleich es nicht zwingend erforderlich ist, ist zu empfehlen, einen Anwalt zumindest für das Klageverfahren zu beauftragen. Wichtig: Für Menschen mit einer privaten Krankenversicherung gilt das nicht, sondern nur für Menschen mit einer gesetzlichen Krankenversicherung.
Viele von euch kennen das Problem. Ihr habt eine Insulinpumpe oder ein kontinuierliches Glukosemesssystem (CGM) beantragt und erhaltet von der Krankenkasse eine Ablehnung. Dann stellt sich erst einmal Ernüchterung ein, denn ihr beantragt das Hilfsmittel ja nicht zum Spaß, sondern weil ihr eure medizinische Therapie und/oder eure Lebensqualität verbessern wollt. Dass das notwendig ist, liegt ebenfalls nicht an euch, sondern an einer Krankheit.
Wie gehe ich also gegen eine (rechtswidrige) Ablehnung meines Antrages vor?
Hinweis: Dieser Artikel beschäftigt sich nur mit den Ansprüchen von gesetzlich versicherten Betroffenen. Für privat versicherte gelten diese Auführungen nicht; auch nicht so ähnlich.
Schritt 1: Ruhe bewahren, Daten und Fristen notieren!
Zunächst schreibt ihr sofort, wenn ihr den Brief erhaltet auf den Brief oder den Umschlag (dann aber bitte diesen auch aufheben) das Datum an dem ihr den Brief aus dem Briefkasten genommen habt. Ihr könnt dann (das steht am Ende des Schreibens auch in einer Rechtsbehelfsbelehrung) innerhalb eines Monats (1 Monat ≠ 4 Wochen) Widerspruch erheben (§§ 84 Abs. 1 Satz 1, 83 SGG (Sozialgesetzbuch). Ein Monat ist dann zu Ende, wenn der selbe Tag im Folgemonat endet (also um 24 Uhr – § 64 Abs. 2 SGG). Liegt der Ablehnungsbescheid der Krankenkasse also am 5. September in eurem Briefkasten endet die Widerspruchsfrist am 5. Oktober um 24 Uhr! Handelt es sich dabei um einen Sonntag oder einen Feiertag ist der folgende Werktag maßgeblich, § 64 Abs. 3 SGG. Ganz wichtig: Samstage sind in Deutschland Werktage! Diesen Termin streicht ihr euch dick mit roter Farbe im Kalender an. Nach Ablauf der Frist ist der Bescheid der Krankenkasse gemäß § 77 SGG bestandskräftig, d. h. er kann nur noch unter besonderen Umständen abgeändert werden.
Merke: Es kommt nur bedingt darauf an, wann ihr den Brief im Briefkasten vorfindet. Zwar beginnt die Frist erst zu laufen, wenn der Brief in euren Briefkasten gelangt und ihr davon Kenntnis nehmen könnt. Ob ihr ihn lest ist allerdings nicht relevant. Befindet ihr euch im Urlaub oder im Krankenhaus und kommt erst zwei Wochen nachdem der Brief eingelegt wurde zurück, dann fehlen euch zwei Wochen. Bei längerer Abwesenheit ist es daher sinnvoll einen Freund, Verwandten oder Nachbarn zu bitten, den Briefkasten zu leeren.
Schritt 2: Brief lesen, ggf. Akteneinsicht nehmen.
Ihr lest nun den Brief und schaut euch an, ob die Ablehnung eine Begründung enthält. Meistens ist diese nicht sonderlich erhellend, weil sich die Begründung oft in Standardfloskeln erschöpft. Individualismus ist scheinbar bei den Krankenkassen nicht Trumpf. Die Begründungen sind oft so individuell, dass sie auch gleich auf eine Webseite verweisen könnten (a.) Ablehnung CGM-Anträge = www. …, b.) Ablehnung Insulinpumpen = www. …). Dennoch ist es wichtig, den Brief zu lesen und sich mit dessen Inhalt auseinander zu setzen.
Ihr habt auch die Möglichkeit, gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB X (Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) Akteneinsicht zu nehmen. Grundsätzlich könnt ihr die Akten nur bei der Krankenkasse selber einsehen (§ 25 Abs. 4 Satz 1 SGB X), es sei denn die Akten werden elektronisch geführt (§ 25 Abs. 5 Satz 2 SGB X). Ihr habt auch ein Recht, dort kopien selber zu fertigen oder von der Krankenkasse anfertigen zu lassen (§ 25 Abs. 5 Satz 1 SGB X), die Krankenkasse darf von euch dann allerdings die Kopierkosten verlangen (§ 25 Abs. 5 Satz 3 SGB X). Eine Akteneinsicht lohnt sich insbesondere, wenn der Entscheidung ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MdK) zugrundeliegt. Das Gutachten solltet ihr kennen. In der Regel verschicken Krankenkassen dieses Gutachten auch kostenfrei, wenn man nett danach fragt. Einer Akteneinsicht bedarf es nicht, wenn ihr den Widerspruch/die Klage nicht selber anfertigt, sondern einen Rechtsanwalt hierzu bevollmächtigt. Der hat auch die Möglichkeit, Akteneinsicht zu nehmen und erhält die Akte postalisch zugeschickt.
Schritt 3: Entscheiden, ob Widerspruch eingelegt werden soll
Ihr müsst nun entscheiden, ob ihr ein anhand von Schritt 2 mit der Entscheidung der Krankenkasse einverstanden seid oder nicht. Insbesondere, wenn eine nachvollziehbare Begründung in dem Ablehnungsschreiben enthalten ist, kann sich auch die eigene Überzeugung bilden, dass die Krankenkasse nicht zu einer Versorgung mit dem Hilfsmittel verpflichtet ist. Das ist dann individuell ärgerlich, aber ein Widerspruch und eine nachfolgende Klage werden nicht erfolgreich sein, wenn die Krankenkasse zu recht abgelehnt hat. Hierbei müsst ihr beachten, dass die Krankenkasse keine optimale Versorgung zu liefern hat, sondern lediglich zu Versorgung mit notwendigen Leistungen, die ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind, verpflichtet ist (§ 12 Abs. 1 SGB V – Fünftes Buch Sozialgesetzbuch). Auf nicht notwendige aber hilfreiche, unzweckmäßige oder unwirtschaftliche Hilfsmittel haben Versicherte ausdrücklich keinen Anspruch (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Solche Leistungen können nur über private Zusatzversicherungen abgesichert werden.
Wenn ihr euch entschieden habt, dass ihr euch gegen die Entscheidung wehren möchtet, müsst ihr weiter entscheiden, ob ihr euch zunächst selber vertretet oder einen Rechtsanwalt aufsucht. Im Widerspruchsverfahren ist die Unterstützung eines Rechtsanwaltes nicht immer notwendig, das steht euch aber frei. Hinsichtlich der Kosten und etwaiger Erstattungen wird euch der Rechtsanwalt beraten. Hierzu kurz vorab: Die Kosten des Rechtsanwaltes werden dann erstattet, wenn der Widerspruch erfolgreich und die Einschaltung eines Rechtsanwaltes notwendig war (§ 63 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB X). Einen Rechtsanwalt in eurer Nähe könnt ihr beispielsweise über das „Bundesweite Amtliche Anwaltsverzeichnis“ der Bundesrechtsanwaltskammer finden. Ihr solltet darauf achten, dass der Rechtsanwalt „Fachanwalt für Sozialrecht“ oder zumindest ausgewiesene Erfahrungen auf dem Gebiet hat. An den Rechtsanwalt solltet ihr euch rechtzeitig vor Ablauf der Widerspruchsfrist wenden. Die Widerspruchsfrist haben wir in Schritt 1 bereits bestimmt. Gebt dem Rechtsanwalt Zeit, sich in die Materie einzulesen und euch individuell zu beraten, getrödelt wird nachher noch genug! Beauftragt ihr einen Rechtsanwalt endet der Artikel für euch hier, sonst geht ihr zu Schritt 4.
Schritt 4: Widerspruch einlegen!
Im folgenden Abschnitt geht es für euch nur weiter, wenn ihr euch gegen einen Rechtsanwalt entscheidet und euch im Widerspruchsverfahren selber vertreten möchtet.
Der richtige Rechtsbehelf gegen die Ablehnung der Krankenkasse ist der Widerspruch, § 83 SGG. Im Sozialrecht heißt das auch nicht Einspruch und eine Klage wäre zu diesem frühen Zeitpunkt wegen § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG unzulässig.
Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse zu erheben, § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG. Wichtig, die Frist, die ihr in Schritt 1 errechnet habt, muss gewahrt werden!!! Schriftform bedeutet nach § 126 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) grundsätzlich, dass ihr der Krankenkasse einen Brief schreiben müsst, der von euch eigenhändig unterschrieben ist. Eine gedruckte Unterschrift genügt grundsätzlich nicht, ein Fax hingegen schon, wenn ihr das Original eigenhändig unterschrieben habt. Eine E‑Mail ist nicht ausreichend.1 Zur Niederschrift bedeutet, dass ihr zur Krankenkasse geht und dem dort zuständigen Mitarbeiter sagt, dass ihr und warum ihr einen Widerspruch erheben möchtet. Er wird das dann aufschreiben und ihr könnt diesen Text unterschreiben.
Aus dem Widerspruch muss sich ergeben,
- wer der Absender ist (also in der Regel derjenige, der eine Leistung beantragt hat) und
- dass er Widerspruch gegen die Entscheidung der Krankenkasse einlegt weden soll.
Zweckmäßig ist es außerdem, ausführlich zu begründen, warum man sich gegen die Entscheidung wendet, denn zunächst entscheidet derselbe Sachbearbeiter noch einmal, der euren Antrag seinerzeit abgelehnt hat. Ihr müsst dem Sachbearbeiter bei der Krankenkasse also verständlich machen, warum seine Entscheidung falsch war und er diesmal anders entscheiden sollte. Dabei ist davon auszugehen, dass er beim ersten Mal auch schon über die Entscheidung nachgedacht hat und nach reiflicher Überlegung zu einer Ablehnung gekommen ist.
Der Widerspruch ist an die Krankenkasse zu schicken, von der ihr die Ablehnung bekommen habt. Ihr macht grundsätzlich nichts falsch, wenn ihr die Adresse nehmt, die in der Rechtsbehelfsbelehrung am Ende des Ablehnungsschreibens steht.
Euer Widerspruch kann in etwa so lauten:
„Ihr Bescheid vom …, Az.: …
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich hatte mit Schreiben vom … die Versorgung mit dem Hilfsmittel … beantragt. Mit Schreiben vom … haben Sie die von mir beantragte Versorgung abgelehnt. Gegen Ihre Entscheidung lege ich
Widerspruch
ein.
[BEGRÜNDUNG]
Mit freundlichen Grüßen“
Achtung: Sowohl im Widerspruchsverfahren als auch im Klageverfahren wirken unsachliche Vorwürfe unprofessionell. So etwas wie „hätten Sie sich mal die Mühe gemacht…“ ist fehl am Platze.
Schritt 5: Warten und wie geht es weiter?
Variante 1: Widerspruch hat schnell Erfolg
Wie in Schritt 4 erwähnt wird euer Widerspruch zunächst wieder demselben Sachbearbeiter vorgelegt, der über eure Ablehnung entschieden hat. Dies dient dazu, dass sich die Verwaltung selber kontrollieren soll. Der Sachbearbeiter soll prüfen, ob er einen maßgeblichen Aspekt übersehen hat. Sofern er zu der Entscheidung kommt, dass seine erste Entscheidung falsch war, wird er eurem Widerspruch „abhelfen“, § 85 Abs. 1 SGG. Abhelfen bedeutet, dass er die beantragte Leistung bewilligen wird. Ist das der Fall? Glückwunsch, die Reise ist damit erst einmal zu Ende.
Variante 2: Der Sachbearbeiter bleibt bei seiner Meinung
Sofern der Sachbearbeiter auch trotz eurer Begründung weiterhin der Meinung ist, dass seine Entscheidung richtig war, wird er in den Akten vermerken, dass er eurem Widerspruch nicht abhilft. Krankenkassen und andere Verwaltungsträger gehen inzwischen dazu über dann einen Brief zu verschicken, dass der Widerspruch keinen Erfolg haben wird und man diesen doch zurück nehmen solle. Wenn man sich in Schritt 3 aber ausreichend Gedanken über den Widerspruch, bzw. das Akzeptieren der Entscheidung gemacht hat, gibt es keinen Grund nun einen Rückzieher zu machen. Man kann die Sache beschleunigen, in dem man darauf hinweist, dass man an dem Widerspruch festhält.
Der Sachbearbeiter wird euch dann mitteilen, dass er bei seiner Meinung bleibt und den Widerspruch an den Widerspruchsausschuss weiterleiten. Zur direkten Ablehnung eures Widerspruches ist der Sachbearbeiter hingegen nicht befugt, § 85 Abs. 2 SGG. Der Widerspruchsausschuss, der bei Krankenkassen in der Regel an einem Ort zentralisiert ist, wird dann über euren Widerspruch entscheiden. Ihr erhaltet dann einen Brief, der auch eine Begründung enthält, warum euer Widerspruch nicht erfolgreich war (§ 85 Abs. 3 Satz 1 SGG).
Variante 3: Es dauert zu lange!
Die Krankenkasse muss über euren Widerspruch grundsätzlich innerhalb einer Frist von drei Monaten entscheiden, § 88 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 SGG. Entscheidet die Krankenkasse nicht, habt ihr die Möglichkeit auch ohne Widerspruchsbescheid Klage beim zuständigen Sozialgericht zu erheben (dann weiter zu Schritt 7). Sofern die Krankenkasse dann hinreichende Gründe dafür geltend machen kann, dass sie bisher nicht entschieden hat, wird das Gericht der Krankenkasse eine Frist zur Entscheidung setzen.
Wichtig: Sofern ihr das Hilfsmittel dringend benötigt, beispielsweise weil ihr häufige schwere Unterzuckerungen mit Fremdhilfe habt und eure einzige Möglichkeit ein kontinuierliches Glukosemesssystem ist, dann könnt ihr gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG eine einstweilige Anordnung beantragen. Zuständig ist das Sozialgericht, das auch für die Klage zuständig ist. Sofern ist dann glaubhaft machen könnt, dass ihr wahrscheinlich einen Anspruch auf die Leistung habt und eine schnelle Entscheidung unverzichtbar ist, kann das zuständige Sozialgericht euch vorläufig das Hilfsmittel bewilligen. Die Möglichkeit besteht auch schon vor Erhebung des Widerspruches, § 86b Abs. 3 SGG. Sofern ihr das möchtet, solltet ihr euch von einem Rechtsanwalt vertreten lassen. Die Materie ist für Nicht-Juristen in der Regel schwer verständlich. Grundsätzlich ist davon sparsam Gebrauch zu machen.
Schritt 6: Widerspruchsbescheid prüfen
Nachdem ihr einen Widerspruchsbescheid erhalten habt, solltet ihr die Begründung prüfen. Bleibt es nun bei eurer Entscheidung (siehe auch Schritt 3), dass ihr einen Anspruch auf das begehrte Hilfsmittel habt, müsst ihr Klage erheben. Überzeugt euch die Krankenkasse dieses Mal mit ihrer Begründung, dann müsst ihr nichts weiter veranlassen. Die Entscheidung der Krankenkasse wird dann aber bestandskräftig (siehe auch Schritt 1). Bestandskräftig bedeutet, dass fest steht, dass ihr keinen Anspruch auf die Leistung hattet; eine Abänderung ist dann nur noch unter besonderen Umständen möglich.
Schritt 7: Klage erheben
Wichtig: Ein Widerspruch gegen den Widerspruchsbescheid ist nicht möglich. Man ließt das zwar häufig anders im Internet, das führt aber lediglich dazu, dass die Klagefrist abläuft.
Im nächsten Schritt müsst ihr dann Klage erheben. Auch der Widerspruchsbescheid enthält am Ende eine Rechtsbehelfsbelehrung. Dort steht, bei welchem Sozialgericht ihr Klage erheben müsst und dass die Klage innerhalb von einem Monat erhoben werden muss.
Die Frist ergibt sich auch aus § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG, sie beginnt in aller Regel, wenn ihr den Widerspruchsbescheid erhalten habt, § 87 Abs. 2 SGG. Hinsichtlich der Berechnung der Frist gilt Schritt 1 entsprechend. Ganz wichtig, zu allererst notiert ihr euch den Zeitpunkt, an dem ihr den Brief in dem Briefkasten gefunden habt. Auch diese Klagefrist notiert ihr euch rot im Kalender. Wenn ihr die Frist verpasst, wird eure Klage als unzulässig abgewiesen werden. Eine Entscheidung über euren Anspruch ergeht dann nicht mehr, ganz gleich ob ihr eigentlich im Recht seid!
Das zuständige Sozialgericht ist das Sozialgericht, in dessen Bezirk ihr wohnt (§ 57 Abs. 1 Satz 1 SGG). Ihr könnt dieses leicht bundesweit auf der Webseite des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen ermitteln: Dazu geht ihr auf die Gerichtssuche und gebt dort eure Postleitzahl ein. Das funktioniert bundesweit, auch wenn das Portal vom Land NRW betrieben wird. Nachdem ihr eure Postleitzahl eingetragen habt, findet ihr alle für euren Wohnort zuständigen Gerichte, einschließlich dem zuständigen Sozialgericht mit Adresse.
Grundsätzlich könnt ihr euch gemäß § 73 Abs. 1 SGG selber vertreten, einen Anwaltszwang gibt es sowohl beim Sozialgericht als auch beim Landessozialgericht nicht. Selbstverständlich könnt ihr euch von einem Rechtsanwalt vertreten lassen, das wird eure Chancen tendenziell erhöhen, auch wenn das Gericht den Wissensvorsprung der Behörde ausgleichen soll (Amtsermittlungsgrundsatz, § 103 SGG). Ihr findet einen Rechtsanwalt über das „Bundesweite Amtliche Anwaltsverzeichnis“ der Bundesrechtsanwaltskammer. Einen Rechtsanwalt müsst ihr zunächst selber bezahlen, es sei denn ihr habt nur ein geringes Einkommen. Für Menschen mit geringem Einkommen gibt es die Prozesskostenhilfe, in dem Fall bezahlt der Staat die Anwaltskosten eures Anwaltes und ihr müsst diese Kosten dann entweder gar nicht oder in Raten (zinslos) zurückzahlen. Sofern ihr die Kosten innerhalb von vier Jahren nicht zurück zahlen musstet, wird euch der restliche Betrag erlassen. Wichtig: Nicht lügen und ehrlich über alle Einkünfte und Konten Auskunft geben, sonst gibt es Ärger. Ob das für euch in Betracht kommt, kann euch ein Rechtsanwalt sagen. Eine erste Einschätzung könnt ihr hier ausrechnen: PKH-Rechner (die Webseite wird nicht von mir betrieben, so dass ich die Richtigkeit des Ergebnisses und dessen Aktualität nicht gewähren kann, eine Haftung wird insoweit ausgeschlossen).
Gemäß § 183 Satz 1 SGG fallen grundsätzlich keine Gerichtskosten an.
Die Klage ist gemäß § 90 SGG schriftlich oder zur Niederschrift zu erheben. Hierfür gilt dasselbe wie in Schritt 4, eine E‑Mail reicht insbesondere nicht.
Die Klage muss
- euren Namen (also den Namen des Antragsstellers des Hilfsmittels)
- den Namen der Krankenkasse und
- einen Hinweis darauf enthalten, worum es geht, § 92 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Zudem soll die Klage
- einen bestimmten Antrag,
- eine Begründung,
- Ort und Datum,
- eine Unterschrift und
- Angaben Beweismitteln enthalten und
- der Widerspruchsbescheid der Klage beigefügt werden, § 92 Abs. 1 Satz 4 SGG.
Ein solcher Antrag kann sein:
„Es wird beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung Bescheides vom …, Az.: …, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom …, Az.: …, zur dauerhaften Versorgung mit dem Hilfsmittel … zu verpflichten.“
Eine Beispiel-Klage findet ihr am Ende dieses Artikels. Es handelt sich dabei um ein Muster, grundsätzlich sind Klagen hochindividuell, so dass die Klage, insbesondere der dortige Antrag nur ein Beispiel darstellen und an die individuellen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten angepasst werden müssen.
Insbesondere Beweismittel sind vom Gericht aber auch von Amts wegen zu erheben, § 103 SGG.
Sodann schließt sich das Klageverfahren an, in der Regel wird es bei dem Gericht eine mündliche Verhandlung geben. Am Ende steht ein Urteil. Kosten werden euch nur erstattet, wenn ihr gewinnt, sofern ihr verliert, habt ihr der Krankenkassen die notwendigen Kosten zu erstatten.
Habt ihr die Klage gewonnen, endet der lange Weg, der vermutlich schon ein bis zwei Jahre gedauert hat. Sonst könnt ihr noch in Berufung gehen.
Schritt 8: Berufung?
In der Berufung habt ihr unter Umständen die Möglichkeit, euch vor dem Landessozialgericht gegen die Entscheidung des Sozialgerichts zu wehren, § 143 SGG. Auch hier benötigt ihr nicht zwingend einen Rechtsanwalt, es ist aber absolut zu empfehlen, einen hierfür zu beauftragen. Auch hierfür gelten Fristen die ihr zwingend einhalten müsst und der Rechtsbehelfsbelehrung des Urteils des Sozialgerichts entnehmen könnt.
Fußnoten:
1 Vgl. VG Köln, Urteil vom 2. Mai 2011 – 25 K 7436/09.
Disclaimer:
Juristische Fragestellungen sind hochindividuell, so dass das Vorstehende nie den Einzelfall abdecken kann. Der Artikel soll nur grundsätzliche Informationen und Tipps geben. Ich empfehle grundsätzlich einen Rechtsanwalt mit der Vertretung zu beauftragen. Insbesondere bei der Musterklage handelt es sich um ein generalisiertes Muster, insbesondere der Antrag dient nur als Platzhalter und muss an die individuellen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten angepasst werden. Lasst euch von einem Rechtsanwalt hierzu beraten.
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Jan hat deutsches und niederländisches Recht in Bremen, Oldenburg und Groningen studiert und ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht in einer Kanzlei für Medizin- und Sozialrecht in Bochum. Außerdem hat er eine Zusatzausbildung im Datenschutz (Datenschutzbeauftragter DSB-TÜV) gemacht. Schon während seines Studiums engagierte er sich ehrenamtlich im Bereich Diabetes, insbesondere zu Gunsten von Kindern und Jugendlichen, und hat die Selbsthilfeorganisation Deutsche Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes (DDH‑M) e. V. mitbegründet und aufgebaut. Er engagiert sich zudem in der Stiftung Stichting Blue Diabetes.
Mira Webers
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass vieles von der Krankenkasse erst einmal abgelehnt wird. Manchmal begründet, oft aber unbegründet. Da hilft ein Widerspruch einzulegen enorm, da hat man eine sehr hohe Erfolgsquote nach meiner Erfahrung nach. Bislang musste ich noch keinen Rechtsanwalt für Medizinrecht einbeziehen, aber es ist beruhigen zu wissen, dass es euch gibt. Wie du schon schreibst, man beantragt das auch nicht so zum Spaß.