Vor einigen Jahren war das Thema häufig in der Presse1: Es geht um die „Bestechung“ von Ärzten durch Pharmaunternehmen. Häufig läuft das so ab, dass Ärzte einen höheren Betrag dafür erhalten und dafür ein bestimmtes Medikament eines bestimmten Pharmaunternehmens bevorzugt verschreiben. Die Ärzte „beobachten“ dann weiter, wie die Reaktionen mit dem Medikament sind und „melden“ die Ergebnisse/Probleme (Anwendungsbeobachtung). Zur einer Auswertung in Studien kommt es aber nie, so dass die Daten nur einen scheinbaren Wert haben. Hierzu hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass sich (Kassen-)Ärzte insoweit nicht wegen „Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr“ gemäß § 299 StGB und den Bestechungsdelikten der §§ 331 ff. StGB strafbar macht.2 Das liegt daran, dass Ärzte im ersteren Fall weder Beauftragte der Krankenkassen sind und im zweiten Fall nicht Amtsträger, vielmehr sind Ärzte – wohl auch zutreffend – freiberuflich tätig ohne in irgendeiner Form als Hoheitsträger für die gesetzlichen Krankenkassen (als staatliche Einrichtung) tätig zu sein.
Das Bundesministerium hat nun einen Gesetzentwurf veröffentlicht, der auch bereits vom Bundeskabinett verabschiedet wurde, der diese Strafbarkeitslücke schließen soll.3 Dabei soll es laut dem Bundeslagebild „Korruption“ des Bundeskriminalamts im Jahr 2011 immerhin 3.432 Tatverdächtige Ärzte gegeben haben. Wenn wir hier eine Durchschnitts„vergütung“ von EUR 10.000,00 unterstellen geht es dabei um eine Summe in Höhe von EUR 34.320.000,00 (= EUR 34 Mio!), die für solche „Bestechungen“ zur Verfügung stehen. Es wird vermutet, dass die Krankenversicherungen gleichsam um Millionen benachteiligt werden.4
Es sollen im wesentlichen – sofern Bundestag und Bundesrat das Gesetz beschließen – folgende neue Straftatbestände eingefügt werden:
§ 299a n. F. StGB Bestechlichkeit im Gesundheitswesen
(1) Wer als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Verordnung oder der Abgabe von Arznei‑, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial
1. einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge oder
2. seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletze,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer als Angehöriger eines Heilberufs im Sinne des Absatzes 1 einen Vorteil dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Arznei‑, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten, die zur Abgabe an den Patienten bestimmt sind, seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletze.§ 299b n. F. StGB Bestechung im Gesundheitswesen
(1) Wer einem Angehörigen eines Heilberufs im Sinne des § 299a Absatz 1 im Zusammenhang mit dessen Berufsausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei der Verordnung oder der Abgabe von Arznei‑, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial
1. ihn oder einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge oder
2. seine berufsrechtlichen Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletze,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer einem Angehörigen eines Heilberufs im Sinne des Absatz 1 im Zusammenhang mit dessen Berufsausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei dem Bezug von Arznei‑, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten, die zur Abgabe an den Patienten bestimmt sind, seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletze.
Der bisherige § 300 StGB wird auf die neuen Straftatbestände der §§ 299a, 299b StGB erweitert. In diesen besonders schweren Fällen gilt dann ein Strafrahmen von mindestens 3 Monaten bis zu 5 Jahren.
Bestraft werden damit zukünftig alle „Angehörigen eines Heilberufes“ die staatlich reglementiert sind. Das sind natürlich Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und Apotheker, genauso aber auch Gesundheits- und Krankenpfleger, Ergotherapeuten, Logopäden und Physiotherapeuten sowie Krankengymnasten.5 Dabei ist es egal, ob sie im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (Sozialrecht) oder der privaten Krankenversicherung tätig werden. Ziel des Gesetzes ist es, dafür zu sorgen, dass Medikamente, Hilfs- und Heilmittel ausschließlich nach den Bedürfnissen des Patienten und nicht nach den wirtschaftlichen Interessen des Erbringers verschrieben werden. Strafbar sind aber auch diejenigen, die den Ärzten die Vergütung versprechen. Dabei soll die oben dargestellte Anwendungsbeobachtung nicht gänzlich strafbar sein, denn die Bundesregierung hält diese für „wünschenswert“, vielmehr ist diese nur strafbar, wenn diese nur vorgeschoben ist.6 Problematisch werden zukünftig insbesondere solche Fälle sein, in denen der Behandler mehr als nur minimal gesellschaftsrechtlich an dem Unternehmen beteiligt ist und zumindest eine Gewinnausschüttung erhält oder sogar darüber hinaus weitere Zahlungen erhält.7 Hier werden Behandler wohl aufpassen müssen, dass die Beteiligung sowie etwaige Zahlungen klar und nachprüfbar von der Verschreibung eines Medikamentes/Hilfsmittels getrennt ist oder der Behandler nachprüfbar keinen Einfluss auf Entscheidungen des Unternehmens nehmen kann. Es kommt aber nicht darauf an, dass ein Behandler tatsächlich für einen Schaden bei einer Krankenversicherung sorgt, vielmehr handelt es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt.
In Betracht kommen aber nicht nur direkte Zahlungen, sondern Versprechungen, Leistungen und Vorteile aller Art, soweit diese geeignet sind, die heilberufliche Unabhängigkeit zu verletzten. Es fallen damit auch Reisen, das Bezahlen der Teilnahme an Messen, etc. unter den Straftatbestand.
Zwar gilt ein relatives Antragserfordernis für eine Strafbarkeit, für das aber so ziemlich alle in Betracht kommende Gruppen einen Antrag stellen können (insbesondere auch Wettbewerber, (Ärzte-)Kammern, Krankenkassen/Pflegeversicherungen und Patienten), außerdem können die Staatsanwaltschaften das Erfordernis des Strafantrages dadurch umgehen, in dem sie das „öffentliche Interesse“ an der Strafverfolgung bejahen und feststellen. Ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung wird aber wohl immer vorliegen. Denn es wird im Regelfall um erhebliche drohende Schäden im Sinne von Ziffer 242a Abs. 1 Alt. 5 RiStBV gehen. Insbesondere wird auch der Nachteil der gesetzlichen Solidargemeinschaft (in der gesetzlichen Krankenversicherung) nach dem Willen der Bundesregierung zu berücksichtigen sein.8
Ferner kann das Gericht gemäß § 302 StGB den erweiterten Verfall gemäß § 73d StGB anordnen, Ziel ist eine Gewinnabschöpfung. Erlangte Gegenstände werden dann gemäß § 73e Satz 1 StGB mit Rechtskraft der Entscheidung Eigentum des Staates und in der Praxis zu Gunsten der Staatskasse versteigert. Geld verfällt nach § 73 StGB „automatisch“.
Das Gesetz stellt durch die empfindliche Strafandrohung sicher, dass Ärzte und andere Behandler nur nach dem Wohl des Patienten und nicht anhand wirtschaftlicher Anreize von Pharmaunternehmen entscheiden, dies ist sehr zu begrüßen. Zumal hierdurch nicht nur der Patient in den Rechtsgütern Körper und Gesundheit geschützt wird, sondern auch die Solidargemeinschaft potentiell entlastet werden kann. Ob dies zu einer spürbaren Entlastung führt (weil es sich um ein gängiges Phänomen handelt) oder nicht (weil es lediglich einzelne „schwarze Schafe“ betrifft) wird sich möglicherweise zeigen. Allerdings wird aufgrund des nulla poene sine lege-Grundsatzes (Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB) eine solche Bestechung, die vor Inkrafttreten erfolgt, nicht strafbar sein. Vielmehr werden nur zukünftige nach Inkrafttreten des Gesetzes erfolgende Bestechungen verfolgt werden können. Insoweit ist fraglich, ob die Strafverfolgungszahlen etwas über den Sinn des Gesetzes werden aussagen können, denn die Zahl wird (wenn sie derzeit hoch sein sollte) automatisch abnehmen; auch ohne Strafverfolgung, nur durch die bloße Präsenz der Strafnorm.
Fußnoten
1 Vgl. exemplarisch: Focus, 13.01.2013, http://www.focus.de/gesundheit/arzt-klinik/news/von-pharma-firmen-geschmiert-fast-tausend-aerzte-stehen-unter-korruptionsverdacht_aid_897175.html.
2 Vgl. BGH, Urteil vom 29.03.2012 – GSSt 2/11.
6 Vgl. Gesetzentwurf, S. 19 f.
7 Siehe auch Gesetzentwurf, S. 20
7 Siehe auch Gesetzentwurf, S. 26
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Jan hat deutsches und niederländisches Recht in Bremen, Oldenburg und Groningen studiert und ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht in einer Kanzlei für Medizin- und Sozialrecht in Bochum. Außerdem hat er eine Zusatzausbildung im Datenschutz (Datenschutzbeauftragter DSB-TÜV) gemacht. Schon während seines Studiums engagierte er sich ehrenamtlich im Bereich Diabetes, insbesondere zu Gunsten von Kindern und Jugendlichen, und hat die Selbsthilfeorganisation Deutsche Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes (DDH‑M) e. V. mitbegründet und aufgebaut. Er engagiert sich zudem in der Stiftung Stichting Blue Diabetes.