Helm­pflicht für Fahr­rad­fah­rer durch die Hintertür?

Durch Urteil vom 05. Juni 2013 hat das Ober­lan­des­ge­richt Schles­wig (Az.: 7 U 11/12) ent­schie­den, dass Fahr­rad­fah­rer – die recht­lich kei­ner Helm­pflicht unter­lie­gen – ein Mit­ver­schul­den an einem Ver­kehrs­un­fall trifft, wenn sie beim Fah­ren mit einem Fahr­rad kei­nen Helm tra­gen und sich dadurch verletzten.

In dem dort ent­schie­de­nen Fall hat­te eine Frau in einem wohl par­ken­den Auto eine Tür geöff­net ohne auf den wei­te­ren Ver­kehr zu ach­ten. Hier­durch kam eine anfah­ren­de Fahr­rad­fah­re­rin zum Sturz, die ihr Fahr­rad nicht mehr recht­zei­tig zum Still­stand brin­gen konn­te. Soweit ersicht­lich war der Fahr­rad­fah­re­rin recht­lich kein Vor­wurf eines Fehl­ver­hal­tens zu machen, wäh­rend der aus­stei­gen­den Auto­fah­re­rin die­ser Vor­wurf zukam. Die Fahr­rad­fah­re­rin stürz­te auf den Hin­ter­kopf und zog sich schwe­re Schä­del-Hirn­ver­let­zun­gen zu, die einen Kran­ken­haus­auf­ent­halt von zwei Mona­ten bedingten.

Die Ver­si­che­rung der Auto­fah­re­rin wei­ger­te sich alle aus dem Unfall ent­stan­de­nen und zukünf­tig ent­ste­hen­den Kos­ten zu tra­gen und kürz­te ent­spre­chend dem Mit­ver­schul­dens­an­teil der Fahr­rad­fah­re­rin, die kei­nen Fahr­rad­helm trug. Nach Auf­fas­sung der Ver­si­che­rung wäre der Scha­den gerin­ger gewe­sen, wenn die Fahr­rad­fah­re­rin einen sol­chen Fahr­rad­helm getra­gen hät­te. Hier­ge­gen klag­te die Fahr­rad­fah­re­rin. In zwei­ter Instanz bekam die Ver­si­che­rung nun recht, das Ober­lan­des­ge­richt stell­te fest, dass einem Fahr­rad­fah­rer, der ohne Fahr­rad­helm fährt ein Vor­wurf zu machen ist. Gemäß § 254 BGB ist der Scha­den­er­satz eines Geschä­dig­ten in dem Umfang zu kür­zen, wie er sel­ber zur Ent­ste­hung des Scha­dens bei­getra­gen hat.

§ 254
Mitverschulden

(1) Hat bei der Ent­ste­hung des Scha­dens ein Ver­schul­den des Beschä­dig­ten mit­ge­wirkt, so hängt die Ver­pflich­tung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leis­ten­den Ersat­zes von den Umstän­den, ins­be­son­de­re davon ab, inwie­weit der Scha­den vor­wie­gend von dem einen oder dem ande­ren Teil ver­ur­sacht wor­den ist.

(2) […]

Nach Auf­fas­sung des Gerichts ist der Mit­ver­schul­dens­an­teil der Fahr­rad­fah­re­rin auf 20% des Gesamt­scha­dens zu bemessen.

Die­ses Urteil stieß viel­fach auf Kri­tik, denn der Fahr­rad­fah­re­rin war sonst kein Vor­wurf zu machen, wäh­rend die Auto­fah­re­rin schuld­haft han­del­te. Eine Helm­pflicht gibt es indes nicht. Ins­be­son­de­re der All­ge­mei­ne Deut­sche Fahr­rad­club (ADFC) kri­ti­sier­te das Urteil. Auf­grund der Tat­sa­che, dass die Fra­ge, ob in einer sol­chen Kon­stel­la­ti­on der Vor­wurf eines Mit­ver­schul­dens zu machen ist, bis­her recht­lich nicht geklärt ist, hat das Ober­lan­des­ge­richt die Revi­si­on zum Bun­des­ge­richts­hof zuge­las­sen. Der ADFC will die Fahr­rad­fah­re­rin nun bei der Durch­füh­rung die­ser Revi­si­on unterstützen.

Man darf gespannt sein, ob der Bun­des­ge­richts­hof das Urteil bestätigt.

Soll­te der Bun­des­ge­richts­hof dies tun, wür­de sich dies mög­li­cher­wei­se zu einer fak­ti­schen Helm­pflicht ent­wi­ckeln, denn dann müss­te ein Fahr­rad­fah­rer, der kei­nen Helm trägt und einen Unfall erlei­det, fürch­ten, nur einen gerin­ge­ren Scha­den ersetzt zu erhal­ten, als ihm tat­säch­lich ent­stan­den ist.

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