Der Bundestag hat gestern (5. Juni 2014) ein Gesetz, das GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz vom 5. Mai 2014, beschlossen, das die Beitragsstrukturen für die Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ändert. Das Gesetz trägt den sperrigen Namen: „Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FQWG)“.
Bisher lag der Beitrag einkommensabhängig bei 15,5 % der Einnahmen des Versicherten. Hiervon zahlte der Arbeitgeber – sofern der Versicherte nicht freiwillig versichert war, wie beispielsweise bei Beamten, Selbstständigen, Freiberuflern … – 7,3 % monatlich. Die restlichen 8,2% der Beiträge zahlte der Versicherte selber über seinen Arbeitgeber. Das sind Kosten die man nicht sieht, da man das Geld nicht ausgezahlt bekommt, vielmehr überweist der Arbeitgeber dies direkt am Lohn an die Krankenkassen. Die Buchung erscheint dann nur auf der monatlichen Gehaltsbescheinigung.
Ziel der Regierung war es durch die Gesetzesänderung eine Beitragsparität (=Beitragsgleichheit) zwischen den Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteilen herzustellen und – vermeintlich – auch die Kostenlast der Patienten zu senken.
Zukünftig wird es so sein, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeweils einen Beitrag in Höhe von jeweils 7,3 % zahlen werden. Der neue Beitrag wird damit 14,6 % betragen und damit faktisch zunächst um 0,9 % sinken. Auf diesem Niveau wird dieser allgemeine Beitrag eingefroren. Der Gesetzgeber geht aber davon aus, dass viele Krankenkassen mit diesem neuen Beitrag nicht wirtschaftlich arbeiten können und erlaubt durch einen neugefassten § 242 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) die Erhebung von Zusatzbeiträgen. Bisher gab es auch die Möglichkeit Zusatzbeiträge zu erheben, das waren pauschale und vor allem einkommensunabhängige Beträge, die klamme Kassen erhoben. Allerdings kam es hierdurch regelmäßig zu Austrittswellen. Zukünftig wird der Zusatzbeitrag, den die Krankenkassen erheben können, aber nicht müssen, nicht mehr pauschal, sondern auch einkommensabhängig ausgestaltet sein. Die Krankenkassen können hier einen Prozentsatz des Einkommens festlegen, den sie als Zusatzbeitrag vereinnahmen möchten. Der Zusatzbeitrag wird nicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilt, sondern wird ausschließlich vom Arbeitnehmer bezahlt. Dies wird zukünftig auch für alle weiteren Erhöhungen der Beiträge gelten, die ausschließlich über Zusatzbeiträge erfolgen sollen und damit einseitig zu Lasten des Patienten gehen.
Aufgrund der Tatsache, dass einige Krankenkassen schon mit einem Beitrag von 15,5% nicht auskamen, und damit 14,6 % erst recht nicht reichen werden, werden diese sicherlich zu deutlichen Zusatzbeiträgen greifen (müssen). Die Opposition behauptet, dass die Versorgung hierdurch für Versicherte faktisch teurer werde. Diese Befürchtung ist sicherlich nicht unbegründet, allerdings wird abzuwarten sein, ob es dazu kommt. Bisher war ein Zusatzbeitrag für Krankenkassen eine Fahrkarte zu hohen Mitgliederverlusten und oft auch in die Insolvenz. Wenn nun aber auch die großen Krankenkassen Zusatzbeiträge erheben würden, würde dies sicherlich relativiert werden. Die großen hingegen werden wohl zunächst die viel thematisierten Reserven angreifen. Ich persönlich halte auch nichts von dem weiteren Ziel, Wettbewerb unter den Krankenkassen zu schaffen, Wettbewerb ist etwas, das unsere Wirtschaftsordnung für Wirtschaftsunternehmen vorsieht. Krankenkasse erfüllen hingegen einen öffentlichen und sozialen Zweck und sollen eben nicht wie Wirtschaftsunternehmen agieren. Das führt dazu, dass freiwillige Leistungen und freiwillige Hilfsmittel, die Patienten sehr viel Lebensqualität verschaffen und langfristig die Kosten senken – wie kontinuierliche Glukosemesssysteme – nicht von Kassen bewilligt werden. Solche Hilfsmittel haben dann zwar positive Bilanzeffekte, allerdings werden diese erst nach Jahren oder Jahrzehnten wirksam und die Krankenkasse weiß nicht, ob der Versicherte dann noch dort versichert ist. Hierdurch entgeht Patienten Lebensqualität.
Die Änderungen treten zum 1. Januar 2015 in Kraft.
Jan hat deutsches und niederländisches Recht in Bremen, Oldenburg und Groningen studiert und ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht in einer Kanzlei für Medizin- und Sozialrecht in Bochum. Außerdem hat er eine Zusatzausbildung im Datenschutz (Datenschutzbeauftragter DSB-TÜV) gemacht. Schon während seines Studiums engagierte er sich ehrenamtlich im Bereich Diabetes, insbesondere zu Gunsten von Kindern und Jugendlichen, und hat die Selbsthilfeorganisation Deutsche Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes (DDH‑M) e. V. mitbegründet und aufgebaut. Er engagiert sich zudem in der Stiftung Stichting Blue Diabetes.