Schwerbehinderte Menschen und, nach wohl zutreffender Auffassung auch, behinderte Menschen dürfen in Deutschland (zu der Frage, ob eine Krankheit eine Behinderung ist siehe: hier) und Europa nicht aufgrund ihrer Behinderung diskriminiert werden. Dies wird für Arbeitsverhältnisse, insbesondere Bewerbungsverfahren, ausdrücklich durch §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, 1 Alt. 6 Allgemeines Gleichstellungsgesetz (AGG) geregelt. Das AGG, das im Volksmund auch Antidiskriminierungsgesetz genannt wird, regelt die verbotenen Diskriminierungen und beruht auf einer Richtlinie der Europäischen Union (für den Beruf und die Bewerbung Richtlinie 2000/78/EG). Grundsätzlich hat der Arbeitgeber dann gemäß § 15 Abs. 1 AGG Schadenersatz zu leisten, d. h. er muss dem Arbeitnehmer Reisekosten und Bewerbungskosten oder ähnliche Aufwendungen ersetzen, die der Arbeitnehmer in Vertrauen auf den Erhalt der Arbeitsstelle gemacht hat und machen durfte. Der Arbeitnehmer hat außerdem einen Anspruch auf immateriellen Schadenersatz (Schmerzensgeld) aus § 15 Abs. 2 AGG, selbst wenn der Arbeitgeber diskriminiert und diese Diskriminierung nicht zu einer Nichteinstellung führt, besteht ein Anspruch auf immateriellen Schadenersatz (Schmerzensgeld) in Höhe von bis zu drei Monatsgehältern (§ 15 Abs. 2 Satz 2 AGG); sofern die Diskriminerung dazu führt, dass der Arbeitnehmer nicht eingestellt wird, kann der immaterielle Schadenersatz (Schmerzensgeld) noch weit darüber liegen. Ggf. kann man zu erwartende zukünftige Diskriminierungen (beispielsweise wird eine Person aufgrund der ethnischen Herkunft nicht in ein Tanzlokal oder ein Fußballstadion gelassen), nach § 21 Abs. 1 Satz 2 AGG mit einer Unterlassungsklage unterbinden.
Verbot der Diskriminierung von (schwer-)behinderten Bewerbern
Schwerbehinderte Menschen und, nach wohl zutreffender Auffassung auch, behinderte Menschen dürfen in Deutschland (zu der Frage, ob eine Krankheit eine Behinderung ist siehe: hier) und Europa nicht aufgrund ihrer Behinderung diskriminiert werden. Dies wird für Arbeitsverhältnisse, insbesondere Bewerbungsverfahren, ausdrücklich durch §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, 1 Alt. 6 Allgemeines Gleichstellungsgesetz (AGG) geregelt. Das AGG, das im Volksmund auch Antidiskriminierungsgesetz genannt wird, regelt die verbotenen Diskriminierungen und beruht auf einer Richtlinie der Europäischen Union (für den Beruf und die Bewerbung Richtlinie 2000/78/EG). Grundsätzlich hat der Arbeitgeber dann gemäß § 15 Abs. 1 AGG Schadenersatz zu leisten, d. h. er muss dem Arbeitnehmer Reisekosten und Bewerbungskosten oder ähnliche Aufwendungen ersetzen, die der Arbeitnehmer in Vertrauen auf den Erhalt der Arbeitsstelle gemacht hat und machen durfte. Der Arbeitnehmer hat außerdem einen Anspruch auf immateriellen Schadenersatz (Schmerzensgeld) aus § 15 Abs. 2 AGG, selbst wenn der Arbeitgeber diskriminiert und diese Diskriminierung nicht zu einer Nichteinstellung führt, besteht ein Anspruch auf immateriellen Schadenersatz (Schmerzensgeld) in Höhe von bis zu drei Monatsgehältern (§ 15 Abs. 2 Satz 2 AGG); sofern die Diskriminerung dazu führt, dass der Arbeitnehmer nicht eingestellt wird, kann der immaterielle Schadenersatz (Schmerzensgeld) noch weit darüber liegen. Ggf. kann man zu erwartende zukünftige Diskriminierungen (beispielsweise wird eine Person aufgrund der ethnischen Herkunft nicht in ein Tanzlokal oder ein Fußballstadion gelassen), nach § 21 Abs. 1 Satz 2 AGG mit einer Unterlassungsklage unterbinden.
Grundsätzlich müsste nach deutschem Recht derjenige die Diskriminerung beweisen, dem dieser Umstand günstig ist. Das hieße in dem hier beschriebenen Fall: Ein Arbeitnehmer wird aufgrund einer Behinderung diskriminert und seine Bewerbung wird deshalb nicht berücksichtigt. Er könnte nun zum Arbeitsgericht gehen und Klage auf materiellen und immateriellen Schadenersatz erheben, müsste dann jedoch beweisen, dass er diskriminiert ist. Das wird in der Regel fast nie möglich sein, da sich Diskriminierungen – so weit sind die meisten Arbeitgeber inzwischen – nicht offenkundig äußern, sondern meistens bestimmt dies nur den internen Auswahlprozess, der nicht nach außen dringt. Auch dies hat der Gesetzgeber, bzw. der Richtliniengeber berücksichtigt. § 22 AGG schreibt daher eine Beweislastumkehr vor, d. h. der Arbeitnehmer muss lediglich Indizien beweisen, die den Schluss nahelegen, dass hier diskriminiert worden sein könnte. Typische Fallkonstellationen sind hier, jemand bewirbt sich und teilt mit, er sei schwerbehindert, wenn er nun nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wird, wird damit bereits die Beweislastumkehr ausgelöst. Dann ist der Arbeitgeber am Zug und muss beweisen, dass er nicht diskriminiert hat, was im in der Regel nicht gelingen kann. Er kann sich lediglich dadurch schützen, dass er eine eigene Schwerbehindertenvertretung hat und einen insgesamt sehr behindertenfreundlich eingerichteten Betrieb beweist und der Bewerber ungeeignet war. Dies gilt sowohl für Arbeitgeber der Privatwirtschaft als auch für öffentlich-rechtliche Arbeitgeber.
Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart
Das Arbeitsgericht Stuttgart hatte kürzlich darüber zu entscheiden, wie die Anforderungen an § 22 AGG (Beweislastumkehr) sind. Vorliegend hatte sich eine Person bei einem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber (eine Stadt aus dem Bezirk des Arbeitsgerichts Stuttgart) beworben. In seinem Lebenslauf gab er an Stelle Nummer 8 an:
10/2002 – 2/2004 arbeitsunfähig im Krankenstand Schwerbehindert
Nach einigen Wochen wurde dem Bewerber mitgeteilt, dass seine Bewerbung nicht berücksichtigt worden sei, er also den Arbeitsplatz nicht bekommen hat. Der Bewerber hat dann Klage erhoben und Schadenersatz in Höhe von drei Monatsgehältern verlangt und dies damit begründet, er habe deutlich auf seine Schwerbehinderteneigenschaft hingewiesen. Dadurch, dass er nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei, sei von einer Diskriminierung auszugehen. Der Beklagte öffentlich-rechtliche Arbeitgeber hat vorgetragen, er habe den Bewerber nur deswegen nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, weil er von der Schwerbehinderung keine Kenntnis gehabt habe. Aus den Bewerbungsunterlagen habe sich dies nicht ergeben und er sei nicht verpflichtet Bewerbungen auf versteckte Hinweise zu untersuchen.
Das Arbeitsgericht Stuttgart (Urteil vom 29.1.2014, Az.: 11 Ca 6438/13) hat entschieden, dass der Bewerber keinen Anspruch auf Schadenersatz hat, da der Arbeitgeber keine Kenntnis von der Schwerbehinderteneigenschaft des Bewerbers haben konnte. Zu den Auswirkungen des Urteils gehe ich unten ein (zum Überspringen des Urteils hier klicken: Auswirkungen).
[…] 35 c) Der Kläger hat vorliegend keine Indizien vorgetragen, die die Annahme rechtfertigen, er sei wegen seiner Behinderung benachteiligt worden, §§ 7 Abs. 1, 22 AGG. 36 aa) Von einer Indizwirkung im Sinne des § 22 AGG ist auszugehen, wenn der öffentliche Arbeitgeber entgegen seiner Pflicht nach § 82 Satz 2 SGB IX den schwerbehinderten Menschen, der sich auf einen Arbeitsplatz beworben hat, nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hat, obwohl dem Bewerber die fachliche Eignung nicht offensichtlich fehlt (§ 82 Satz 3 SGB IX). Bei der von der Beklagten ausgeschriebenen Stelle handelte es sich um einen Arbeitsplatz im Sinne des § 82 Satz 1 SGB IX in Verbindung mit § 73 SGB IX (BAG 13.10.2011 – 8 AZR 608/10 – Rz 31, juris). 37 bb) Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Kausalzusammenhang zwischen Benachteiligung und eines der in § 1 AGG genannten Merkmale kann aus einem Verfahrensverstoß aber nur dann abgeleitet werden, wenn der Arbeitgeber anhand der objektiv bestehenden Umstände erkannt hat oder erkennen musste, dass ihn eine entsprechende Pflicht trifft. Erforderlich ist deshalb, dass dem Arbeitgeber die Schwerbehinderteneigenschaft oder die Gleichstellung des Bewerbers bekannt gewesen ist oder er sich aufgrund der Bewerbungsunterlagen diese Kenntnis hätte verschaffen können. Andernfalls kann der Pflichtenverstoß dem Arbeitgeber nicht zugerechnet werden. 38 Es obliegt deshalb dem abgelehnten Bewerber, die Kenntnis bzw. Möglichkeit hierzu darzulegen. Allerdings hat der Arbeitgeber die Erledigung seiner Personalangelegenheiten so zu organisieren, dass er seine gesetzlichen Pflichten zur Förderung schwerbehinderter Bewerber erfüllen kann. Die für den Arbeitgeber handelnden Personen sind verpflichtet, das Bewerbungsschreiben vollständig zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen. Ein ordnungsgemäßer Hinweis auf eine Schwerbehinderung liegt vor, wenn die Mitteilung in einer Weise in den Empfangsbereich des Arbeitgebers gelangt ist, die es ihm ermöglicht, die Schwerbehinderteneigenschaft des Bewerbers zur Kenntnis zu nehmen. Zwar muss der Bewerber keinen Schwerbehindertenausweis oder seinen Gleichstellungsbescheid vorlegen, jedoch muss sein Hinweis so beschaffen sein, dass ein gewöhnlicher Leser der Bewerbung die Schwerbehinderung oder Gleichstellung zu Kenntnis nehmen kann (BAG 18.11.2008 – 9 AZR 643/07 BAG 16.09.2008 – 9 AZR 791/07 – EZA SGB IX § 81 Nr. 19, Nr. 17; 13.10.2011 – 8 AZR 608/10 – Rz 37 ff., juris). 39 cc) Die Beklagte war jedoch nicht verpflichtet, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Sie hatte keine Kenntnis von dessen Schwerbehinderung. Gegenteiliges wird vom Kläger nicht behauptet. 40 Eine Pflicht zur Einladung des Klägers resultiert auch nicht daraus, dass sich die Beklagte Kenntnis von der Schwerbehinderteneigenschaft aufgrund der Bewerbungsunterlagen hätte verschaffen können. 41 (1) Aus dem Bewerbungsschreiben selbst ergibt sich kein Hinweis auf das Vorliegen einer Schwerbehinderung. Zwar behauptet der Kläger, die Beklagte habe das Bewerbungsschreiben nicht in der Form vorgelegt, wie es bei der Beklagten eingegangen sei. Insofern verweist der Kläger auf den eigenen Ausdruck des elektronisch versandten Bewerbungsschreibens, welcher in Gestaltung und Wortlaut abweicht (hierzu Abl. 21 einerseits und Abl. 47 andererseits). Das betrifft insbesondere den Passus Lebenslauf mit Behinderung. Einen Beweis dafür, dass das Schreiben bei der Beklagten tatsächlich so eingegangen ist, wie das der Kläger geltend macht, ist er allerdings schuldig geblieben. Im Gegenteil: Der Kläger will über die „Möglichkeit nicht mutmaßen, wie der Hinweis zur Behinderung verschwunden sein könnte“ (Seite 3 oben des Schriftsatzes vom 23.11.2013 = Abl. 37). 42 Im Übrigen wäre der behauptete Hinweis auf eine Behinderung nicht ausreichend. Aufgrund der Weite des Behindertenbegriffs fallen auch Einschränkungen hierunter, die unterhalb der Schwelle eines Grades der Behinderung von 50 (§ 2 Abs. 2 SGB IX), 30 oder gar 20 liegen und daher die besonderen Pflichten nach §§ 81, 82 SGB IX, die nur für Schwerbehinderte und diesen gleichgestellte behinderte Menschen gelten (§ 68 Abs. 1 SGB IX), nicht auslöst. Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass sich für die Zeit nach Inkrafttreten des AGG ein einfach behinderter Bewerber im Sinne von Vermutungstatsachen auf Verstöße des Arbeitgebers im Bewerbungsverfahren gegen die §§ 81 ff. SGB IX nicht mit Erfolg berufen kann (BAG 27.01.2011 – 8 AZR 580/09 – EZA AGG § 22 Nr. 3; BAG 13.10.2011 – 8 AZR 608/10 – Rz 40, juris). Aus dem Hinweis auf eine „Behinderung“ konnte und musste folglich die Beklagte nicht ableiten, sie sei zur Einladung des Klägers zu einem Vorstellungsgespräch nach § 82 Satz 2 SGB IX verpflichtet. 43 (2) Auch aus dem Lebenslauf des Klägers ergibt sich kein ausreichender Hinweis auf eine im Zeitpunkt der Bewerbung vorliegende Schwerbehinderung. 44 Dabei dürfen keine überzogenen Anforderungen an den Arbeitgeber gestellt werden. Es genügt nicht, dass ein Hinweis so beschaffen ist, dass der Leser der Bewerbung objektiv die Möglichkeit hat, die Schwerbehinderung zur Kenntnis zu nehmen. Denn der Hinweis liegt im Interesse des schwerbehinderten Bewerbers. Soll er doch den Arbeitgeber veranlassen, den Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Dadurch werden die Bewerbungschancen auch bei zweifelhafter Eignung erhöht, solange die fachliche Eignung nicht offensichtlich fehlt (§ 82 Satz 3 SGB IX). Mit der Zielsetzung der §§ 81 ff. SGB IX einerseits und der §§ 15, 7, 3, 1 AGG andererseits ist es nicht zu vereinbaren, dass ein Bewerber lediglich versteckte Hinweise auf eine Schwerbehinderung gibt. Die Gefahr des Missbrauchs springt ins Auge, wenn sich ein Bewerber bei einem öffentlichen Arbeitgeber einerseits darauf beruft, er sei nicht verpflichtet, seine Schwerbehinderung im Bewerbungsschreiben offenzulegen, andererseits aber dem Arbeitgeber die fehlende Einladung zu einem Vorstellungsgespräch als Indiztatsache für eine Benachteiligung vorhält, weil sich in den sonstigen Bewerbungsunterlagen ein Hinweis auf die Schwerbehinderteneigenschaft befindet. Auf einen solchen Sachverhalt deuten die Äußerungen des Klägers im Gütetermin vom 04.11.2013 hin (Sitzungsprotokoll = Abl. 30). Zu Recht hat die Beklagte eingewandt, sie sei nicht verpflichtet, sämtliche Anlagen nach einem mehr oder weniger versteckten Hinweis auf eine Schwerbehinderung durchzusehen, zumal bei der Beklagten insgesamt 319 Bewerbungen eingegangen sind. 45 Das nur für das Gericht farblich markierte Wort Schwerbehindert befindet sich inmitten des Lebenslaufs des Klägers und ist in diesem Sinne bereits optisch „versteckt“. Darüber hinaus ist es systemwidrig der Überschrift zugeordnet beruflicher Werdegang. 46 Darüber hinaus fehlt es an der inhaltlichen Eindeutigkeit. Das Wort Schwerbehindert ist der Zeitspanne 10/2002 – 02/2004 zugeordnet und verknüpft mit der Wendung arbeitsunfähig im Krankenstand. Das deutet schon nach dem Wortlaut auf eine Befristung der Eigenschaft hin und korrespondiert mit § 69 Abs. 5 Satz 3 SGB IX. Danach soll die Gültigkeitsdauer des Ausweises über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den Grad der Behinderung sowie ggf. über weitere gesundheitliche Merkmale befristet werden. 47 Zwar macht der Kläger geltend, eine Schwerbehinderung werde im Rahmen der Heilungsbewährung immer auf volle Jahre, im allgemeinen auf fünf Jahre „vergeben“. Aber auch dieser Zeitraum wäre bezogen auf das Jahr 2002 bei Eingang der Bewerbung des Klägers bei der Beklagten längst verstrichen. 48 Die Erwägung des Klägers, ein Bewerber würde nie eine abgelaufene Schwerbehinderung im Bewerbungsschreiben anfügen, weil das keine Vorteile, dafür aber Nachteile bringen würde, ist spekulativ. Die Beklagte war nicht gehalten, derlei Überlegungen im Hinblick auf die nach dem Wortlaut nur befristet erscheinende Schwerbehinderung anzustellen. Der Kläger trägt insoweit das Erklärungsrisiko. Er hat es in der Hand, sich klar, unmissverständlich und eindeutig auszudrücken. Insbesondere traf die Beklagte nicht die Pflicht, Zweifel an der Schwerbehinderung beim Kläger anzumelden. Denn gerade durch solche Nachfragen kann der Arbeitgeber Indiztatsachen schaffen, die ihn bei seiner Entscheidung gegen den schwerbehinderten Bewerber in die Darlegungslast nach § 22 AGG bringen können. Eine Pflicht zur Erkundigung würde auf ein verbotenes Differenzierungsmerkmal nach § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX in Verbindung mit § 1 AGG zielen und eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung darstellen. Der Arbeitgeber kann nicht verpflichtet sein, mit einer Frage zur Schwerbehinderteneigenschaft Tatsachen zu schaffen, die ihm als Indiztatsachen nach § 22 AGG in einem späteren möglichen Prozess entgegengehalten werden können (BAG 13.10.2011 – 8 AZR 608/10 – Rz 43 mwN, juris). […] (Quelle: Arbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 29.1.2014, Az.: 11 Ca 6438/13, Hervorhebungen durch den Autoren, abrufbar http://www.justiz.baden-wuerttemberg.de).
Aus dem Urteil geht folglich hervor, dass die Mitteilung der Schwerbehinderung eine gewisse Deutlichkeit haben muss und der Arbeitgeber (bei der Beklagten Stadt waren hier 319 Bewerbungen auf die Arbeitsstelle eingegangen) nicht nach versteckten Hinweisen zu suchen hat. An dieser Stelle muss noch einmal deutlich darauf hingewiesen werden, dass es in Deutschland für nicht an einem Rechtsstreit beteiligte Dritte keine Bindung an Urteile gibt. Insbesondere ist es nicht unüblich, das andere Gerichte oder andere Kammern desselben Gerichts komplett anders entscheiden. Die Begründung leuchtet hier aber gewissermaßen ein, wenn man unterstellt, dann hinter der Position 8 (siehe oben), noch weitere Positionen des beruflichen Werdegangs aufgezählt sind. Insbesondere ist hier zu berücksichtigen, dass die Schwerbehinderteneigenschaft aufzuheben ist, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, also insbesondere dann, wenn der schwerbehinderte Mensch geheilt worden ist. Hier hatte der Arbeitgeber keine Kenntnis von dem Grund der Schwerbehinderung, was auch üblich ist. Insoweit gab es für ihn keine Möglichkeit eine grobe Prüfung anzustellen, ob die Schwerbehinderung noch fortbestehen könnte. Angesichts der Tatsache, dass diese Angabe hier eingerückt war und damit zeitlich beschränkt dargestellt wurde, kann man sicherlich die Begründung des Arbeitsgerichts nachvollziehen, dass hier keine ausreichenden Angaben für die Annahme einer Schwerbehinderteneigenschaft vorlagen.
Auswirkungen
Grundsätzlich ist die Befürchtung von (Schwer-)Behinderten Menschen, in Bewerbungsverfahren aufgrund ihrer Behinderung benachteiligt zu werden, sicherlich nicht unbegründet. Aus diesem Grund gelten für Arbeitgeber daher wesentlich höhere Anforderungen, sofern er von dieser Behinderung Kenntnis hat. Ob man eine Schwerbehinderung in einem Bewerbungsverfahren angibt oder nicht, muss grundsätzlich jeder selber entscheiden. Ob man im Falle einer Nachfrage nach der Schwerbehinderteneigenschaft lügen darf oder nicht, ist in der rechtswissenschaftlichen Literatur heiß umstritten. Wenn man sich aber entscheidet bei einer Bewerbung eine Schwerbehinderung anzugeben sollte man dies sehr deutlich und nicht versteckt machen und insbesondere sollte aus der Angabe deutlich werden, dass die Schwerbehinderteneigenschaft noch fortbesteht. Gibt man diese Angabe versteckt hat, tut sich der Bewerber keinen Gefallen, der Arbeitgeber kann so tatsächlich Kenntnis von der Schwerbehinderung erlangen und ggf. diskriminieren; Rechtsschutz besteht dann aber aufgrund der unklaren Angabe möglicherweise nicht. Wenn man diese Angabe deutlich angibt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Arbeitgeber dies wahrnimmt selbstverständlich auch größer, allerdings erhält sich der Bewerber damit in jedem Fall die Möglichkeit ggf. auf Schadenersatz zu klagen. Nach dem obigen Urteil dürfte aber klar sein, dass derjenige, der keine Angaben hierzu in der Bewerbung macht nicht aufgrund einer Nicht-Einladung zum Bewerbungsgespräch Schadenersatz verlangen kann. Bei einer hinreichend deutlichen Angabe, so beispielsweise im Anschreiben oder sehr deutlich wohl auch im Lebenslauf, hat der Schwerbehinderte – sofern er nicht offenkundig ungeeignet ist – grundsätzlich einen Anspruch zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, anderenfalls muss der Arbeitgeber im Falle eines Rechtsstreits beweisen, dass er den schwerbehinderten Bewerber nicht diskriminiert hat, anderenfalls muss er Schadenersatz leisten, der in der Regel mehrere Monatsgehälter umfasst.
Jan hat deutsches und niederländisches Recht in Bremen, Oldenburg und Groningen studiert und ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht in einer Kanzlei für Medizin- und Sozialrecht in Bochum. Außerdem hat er eine Zusatzausbildung im Datenschutz (Datenschutzbeauftragter DSB-TÜV) gemacht. Schon während seines Studiums engagierte er sich ehrenamtlich im Bereich Diabetes, insbesondere zu Gunsten von Kindern und Jugendlichen, und hat die Selbsthilfeorganisation Deutsche Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes (DDH‑M) e. V. mitbegründet und aufgebaut. Er engagiert sich zudem in der Stiftung Stichting Blue Diabetes.