Die Frage, ob eine Frage nach der Schwerbehinderung in einem Bewerbungsgespräch zulässig ist oder nicht, war lange Zeit umstritten. Ich vertrat seit jeher die Überzeugung, dass die Frage zulässig ist, weil der Arbeitgeber einerseits stark belastet werden kann und außerdem der Schutzgedanke des schwerbehinderten Arbeitnehmers dazu zwingt, dass diese Rechte auch durchgesetzt werden und der Arbeitnehmer nicht darauf verzichten kann. Kern der Frage, ob die Frage zulässig ist, war die Einführung des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes (AGG) – im Volksmund auch Antidiskriminierungsgesetz – das die Diskriminierung von Schwerbehinderten verbietet. Nun hat sich das BAG der Frage gewidmet, ob die Frage während eines Beschäftigungsverhältnisses zulässig ist. Unter anderem vertreten Ebert, Diabetes-Rechtsfragen-Buch; Armbrüster, MüKo BGB, § 123, Rn. 45 die Ansicht, dass die Frage zum Zeitpunkt der Einstellung unzulässig ist; Wendtland, in: Bamberger/Roth, BeckOK, § 123 Rn. 10, 16 und u. a. ich hielten die Frage für zulässig.
Das Urteil liegt noch nicht im Volltext vor, dies werde ich nachreichen.
Nach der Auskunft der Legal Tribune Online hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) kürzlich entschieden (BAG, Urteil vom 16.02.2012, Az. 6 AZR 553/10), dass die Frage (während eines laufenden Arbeitsverhältnisses) gestellt werden darf und eine Lüge damit unzulässig ist.
In dem konkreten Fall hatte ein Arbeitnehmer diese Eigenschaft verschwiegen, obwohl der Arbeitgeber (bzw. der Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren) im Formular danach fragte. Nach der Kündigung berief der Arbeitnehmer sich auf seine Sonderrechte und die Unwirksamkeit der Kündigung, da das Integrationsamt – logischerweise, da es ja gar nicht befasst wurde – nicht zugestimmt hatte. Das BAG sagt, der Arbeitnehmer könne sich nicht darauf berufen, die Frage sei zulässig und deswegen dürfe der Arbeitnehmer nicht lügen.
Die Vorabmeldungen lassen den Schluss zu, dass das BAG in dieser Frage keine Diskriminierung sieht, was bedeuten würde, dass Arbeitgeber Arbeitsverträge anfechten können, wenn der Arbeitnehmer die Schwerbehinderteneigenschaft verschweigt.
Mehr dazu, wenn mir das Urteil im Volltext vorliegt.
Jan hat deutsches und niederländisches Recht in Bremen, Oldenburg und Groningen studiert und ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht in einer Kanzlei für Medizin- und Sozialrecht in Bochum. Außerdem hat er eine Zusatzausbildung im Datenschutz (Datenschutzbeauftragter DSB-TÜV) gemacht. Schon während seines Studiums engagierte er sich ehrenamtlich im Bereich Diabetes, insbesondere zu Gunsten von Kindern und Jugendlichen, und hat die Selbsthilfeorganisation Deutsche Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes (DDH‑M) e. V. mitbegründet und aufgebaut. Er engagiert sich zudem in der Stiftung Stichting Blue Diabetes.