Insbesondere junge Menschen fragen sich beim Start in das Berufsleben, ob sie sich privat oder gesetzlich versichern sollen. Diese Frage stellt sich insbesondere für Beamte und Selbstständige.
Grundsätzlich gilt in Deutschland gemäß § 193 Abs. 3 VVG eine Krankenversicherungspflicht für alle Menschen, die in Deutschland einen Wohnsitz haben. Versichert man sich nicht, kommt es ganz dicke, gemäß § 193 Abs. 4 VVG muss man sich rückwirkend beitragspflichtig mit Zuschlägen versichern, außerdem begeht man eine Ordnungswidrigkeit, die bußgeldbewehrt ist.
Man muss sich also versichern, nur wie? Gesetzlich oder privat?
Der privaten Krankenversicherung haftet in Deutschland immer noch ein gewisser Schick an, man unterstellt zudem, dass man weniger im Wartezimmer warten muss. Das ist aber heutzutage immer weniger der Fall.
Gesetzliche Krankenversicherung
Die gesetzliche Krankenversicherung arbeitet nach einem Solidarsystem und nach dem Prinzip der Sachleistung. Eine solidarische Versicherung bedeutet, dass jeder nach seinem Einkommen für das gesamte System bezahlt. Individuelle Risiken bleiben vollständig unberücksichtigt. Auch kranke können unproblematisch und relativ unbürokratisch die Krankenkassen wechseln. Abgesehen von dem individuellen Zusatzbeitrag zahlen sie überall denselben Beitrag, egal ob sie krank oder gesund, jung oder alt sind. Der Beitrag wird prozentual vom Einkommen erhoben. Verdient man viel, zahlt man mehr, verdient man weniger, zahlt man weniger; insbesondere in der Rente!
Im Falle eines Arztbesuches oder der Versorgung mit Medikamenten und Hilfsmitteln geht der versicherte Patient zum Arzt, zur Apotheke oder zu einem Leistungserbringer (Hilfsmittelhersteller, etc.) und erhält dort eine ärztliche Behandlung, das gewünschte Medikament oder Hilfsmittel. Bezahlen muss er (abgesehen von der Zuzahlung) nichts. Derjenige, der an den Patienten leistet rechnet direkt mit der Krankenkasse ab. Das ist einfach und man muss die Leistungen nicht vorfinanzieren.
Außerdem gibt es für nicht-verdienende Ehegatten und Kinder bis zum 25 Lebensjahr eine kostenfreie Familienversicherung. Eine Familie nach klassischem Familienbild (2 Erwachsene, 2 Kinder, Mutter oder Vater Hausfrau/Hausmann) hat dann nur einen Beitragszahler, die anderen drei sind beitragsfrei mit eigenen Ansprüchen voll versichert.
Sofern man Probleme hat, kann man kostenlos vor dem Sozialgericht klagen. Gerichtskosten werden gemäß § 183 Satz 1 SGG nicht erhoben und die Krankenkassen vertreten sich in der Regel selber, so dass hier keine Kosten anfallen. Die Leistungen sind gesetzlich festgelegt, man weiß also, was man bekommt.
Private Krankenversicherung
Die private Krankenversicherung ist eine ganz normale Versicherung von ganz normalen (meist privaten) Versicherungsunternehmen. Das bedeutet, dass es kein Solidarsystem gibt. Es bezahlt also jeder nach seinem individuellen Risiko. Das heißt Personen mit hohem Risiko (kranke Menschen, alte Menschen) zahlen sehr hohe Beiträge. Zumeist starten Menschen jung in der privaten Krankenversicherung mit sehr niedrigen Beiträgen, das rächt sich aber im Alter. Es wäre in dem Falle sogar denkbar, dass die Beiträge eine potentielle Rente übersteigen. Zahlt der Versicherte nicht, kann das Versicherungsunternehmen den Versicherungsvertrag kündigen. Ein Wechsel der Krankenkassen ist spätestens dann nicht mehr möglich, wenn man eine chronische Erkrankung hat. Vorsicht, lügen lohnt nicht!
Sofern man zum Arzt geht oder Medikamente oder Hilfsmittel benötigt, muss man die Leistungen selber vorfinanzieren. Je nachdem wie häufig man zum Arzt geht, muss man hohe Beiträge zwischen den Leistungserbringern und der Krankenversicherung hin und herschieben. Oft muss man einen Teil selber bezahlen, ähnlich wie bei normalen Haftpflichtversicherungen.
Eine kostenfreie Familienversicherung gibt es in der privaten Krankenversicherung nicht. Eine Familie nach klassischem Familienbild (siehe oben) hat also 4 beitragszahlende Mitglieder, das kann ins Geld gehen.
Was passiert bei Schwierigkeiten mit der Versicherung? Die Leistungen sind für Otto-Normalverbraucher oft schwer durchschaubar. Es gibt kein gesetzlich vorgeschriebenes Grundgerüst, abgesehen davon, dass ambulante und stationäre Leistungen versichert sein müssen. Aber was ist mit Laborkosten? Oder bestimmte Therapien oder Leistungen? Das ist dem Versicherungsvertrag und dem üblichen „Kleingedruckten“ zu entnehmen. Bei Streitigkeiten mit der Versicherung handelt es sich um einen ganz normalen Zivilprozess, d. h. je nach Streitwert (Begehren des Betroffenen in der Hauptsache, bei einer Arztrechnung über EUR 1.000 wäre der Streitwert EUR 1.000) entscheidet entweder das Amtsgericht oder das Landgericht. Den Prozess muss der Kläger (in dem Fall der Versicherte) vorfinanzieren, dafür fallen sowohl Gerichtskosten als auch Anwaltskosten an. Vor dem Landgericht muss man sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, vor dem Amtsgericht ist das sinnvoll. Die Versicherung wird sich üblicherweise auch durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Im Falle des Unterliegens zahlt man also die Gerichtskosten und wahrscheinlich zwei Mal die Rechtsanwaltskosten; und das für jede Instanz.
Doch für wen lohnt sich das dann? Eigentlich lohnt sich eine private Krankenversicherung primär für solche Menschen, die ohne chronische Erkrankungen oder schwere Leiden verbeamtet werden. Durch die Verbeamtung muss man sich nur im geringen Umfang versichern (50% oder sogar nur 30%) insofern reduziert sich auch der Beitrag enorm, das ist bei der gesetzlichen Krankenversicherung nicht der Fall.
Im Ergebnis zahlt man in jungen Jahren deutlich niedrigere Beiträge in der pKV als in der gKV, spätestens im Rentenalter kehrt sich dies aber um und dürfte in vielen oder sogar den meisten Fällen zu einem „Minus Geschäft“ werden. Hinzukommt, dass neben den ganzen finanziellen Nachteilen auch kaum noch Vorteile bestehen. Frühere Termine sind nur bei speziellen Fachärzten zu bekommen, bei normalen Fachärzten bestehen diese Unterschiede faktisch kaum noch. Kürzere Wartezeiten? Auch kaum noch vorhanden. Bessere Versorgung? Zweifelhaft, der gesetzliche Leistungskatalog bildet eine ausreichende Versorgung bereits vollständig ab.
Wer kann zwischen der gKV und der pKV wählen?
Grundsätzlich gilt gemäß § 5 Abs. 1 SGB V eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung für alle Arbeitnehmer, Auszubildende, Studenten, Arbeitslose und zahlreiche weitere Bevölkerungsgruppen. Diese Personen können sich nur gesetzlich versichern. Eine Ausnahme bilden die Arbeitnehmer, diese können gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V wählen, wenn sie mehr verdienen als die Jahresentgeltgrenze beträgt. Das sind derzeit EUR 54.900,00 im Jahr, bzw. EUR 4.575,00 monatlich. Gemäß § 6 Abs. 1 SGB V sind bestimmte Bevölkerungsgruppen, wie Selbstständige, Beamte, Richter, Soldaten, Geistliche und weitere Bevölkerungsgruppen frei in der Wahl der Versicherung.
Wechselmöglichkeiten
Eine einmal getroffene Entscheidung bindet dauerhaft. Ein Wechsel von der pKV in die gKV ist nur möglich, wenn die Voraussetzungen für die Versicherungsfreiheit gemäß § 6 SGB V nicht mehr vorliegen. Das bedeutet ein Selbstständiger müsste angestellt sein und weniger verdienen, als die Jahresarbeitentgeltgrenze beträgt, Soldaten, Richter oder Beamte müssten aus dem Dienst entlassen werden und gut verdienende Arbeitnehmer müssen weniger verdienen. Letzteres ist oft einfach durch eine Teilzeitbeschäftigung möglich.
Der Hintergrund ist einleuchtend und verständlich, wer einmal aus finanziellen Methoden sagt, ein Solidarsystem möchte ich nicht, weil ich nicht für alte und kranke bezahlen möchte, der soll nicht genau dieses System für sich nutzen, wenn er selber alt und krank ist.
Genau aus diesem Grund ist ein Wechsel nach Vollendung des 55. Lebensjahres nur noch unter den erschwerten Bedingungen des § 6 Abs. 3a SGB V möglich. Personen, die das 55. Lebensjahr vollendet haben und wenig verdienen (Früh-)Rentner, Teilzeitbeschäftigte, Arbeitslose können nur in die gesetzliche Krankenversicherung zurückwechseln, wenn sie innerhalb der vergangenen fünf Jahre in der gesetzlichen Krankenversicherung Mitglied waren. Personen, die in jungen Jahren selbstständig waren und sich privat versichert haben und mit 63 in Rente gehen wollen und feststellen, dass die Krankenversicherungsbeiträge die Rente übersteigen haben meistens keine Möglichkeit mehr, zurück zu wechseln. Sie können lediglich noch günstigere Tarife mit weniger Leistungen vereinbaren. Das ist aber wenig lukrativ. Möglich ist ein Wechsel in den Basistarif, der verbindet die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung mit allen Nachteilen der privaten Krankenversicherung und schafft weitere Nachteile und kostet EUR 640,00 monatlich, der Maximalbeitrag der in der gesetzlichen Krankenversicherung möglich ist. Beträgt die Rente EUR 1.000,00 im Monat, dann bleiben EUR 360,00 im Monat zum Leben und Wohnen.
Das klingt nach einem seltenen Phänomen, ist es jedoch nicht. Nach Schätzungen waren 2011 noch 137.000 Menschen ohne eine Krankenversicherung. Berücksichtigt werden dabei nur Personen, die einen Wohnsitz haben, wohnsitzlose Personen, die oft auch unversichert sind, kämen noch hinzu. Die Maltesener behandeln inzwischen sogar kostenlos, um diese Personen aufzufangen. Menschen ohne Krankenversicherung droht bittere Armut im Alter.
Folglich sollte man sich genau überlegen, ob man sich privat versichern möchte oder, ob man sich nicht lieber doch gesetzlich versichert und in jungen Jahren etwas mehr bezahlt. Drum prüfe, wer sich ewig binde, die Entscheidung kann final sein. Im Alter bereut man eine private Krankenversicherung wahrscheinlich. Gemeint sind aber natürlich keine privaten Krankenzusatzversicherungen.
Jan hat deutsches und niederländisches Recht in Bremen, Oldenburg und Groningen studiert und ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht in einer Kanzlei für Medizin- und Sozialrecht in Bochum. Außerdem hat er eine Zusatzausbildung im Datenschutz (Datenschutzbeauftragter DSB-TÜV) gemacht. Schon während seines Studiums engagierte er sich ehrenamtlich im Bereich Diabetes, insbesondere zu Gunsten von Kindern und Jugendlichen, und hat die Selbsthilfeorganisation Deutsche Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes (DDH‑M) e. V. mitbegründet und aufgebaut. Er engagiert sich zudem in der Stiftung Stichting Blue Diabetes.