Derzeit lese ich das Buch von RA Oliver Ebert (Das Diabetes-Rechtsfragen-Buch) für eine Rezension für Diabetes-Index. Der Kollege Ebert macht in seinen Ausführungen immer eins deutlich, in der Regel bringt der Schwerbehindertenausweis keine Vorteile bei Bewerbungen. Es ist zwar richtig, dass Unternehmen dann „Strafe“ zahlen müssen, allerdings ist diese Strafe recht niedrig und – zumindest ist das der Blickwinkel des Unternehmers – im Zweifel deutlich günstiger als Schwerbehinderte einzustellen, sie nicht kündigen zu können, ihnen mehr Urlaub zu gewähren, … Heute las ich einen Artikel in „Der Westen“ (Schwerbehinderte auf dem Arbeitsmarkt oft ohne Chance), in dem das Thema für Essen thematisiert wurde. Zur Kontrolle ist die Agentur für Arbeit verpflichtet, die schreiben einmal jährlich die Betriebe an und fragen nach, wie viele Schwerbehinderte dort beschäftigt sind. Von 1000 Betrieben haben 560 eine zu niedrige Quote und müssen die Strafe zahlen, dabei liegt die Quote nur bei 5% der Belegschaft. Wobei nur solche Betriebe angeschrieben werden, denen mindestens 20 Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. In der Regel hat jeder Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen nach § 71 Abs. 1 SGB IX 20% der Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten zu besetzen. Wobei Arbeitgeber mit bis zu 60 Arbeitsplätzen nur verpflichtet sind 2 Schwerbehinderte zu beschäftigen. Die „Strafen“, die man juristisch nicht Strafe sondern Ausgleichsabgabe nennt (der Einfachheit halber bleiben wir aber mal bei Strafe), sind in § 77 SGB IX geregelt. Dort findet man eine Staffelung der Strafe, die je Arbeitsplatz zu entrichten ist. Wenn man weniger als 2% Schwerbehinderte beschäftigt muss jeder Arbeitgeber pro Arbeitsplatz und Jahr 260,00 Euro Strafe bezahlen. Wer mit einer Quote von 2 bis 3% Schwerbehinderte beschäftigt bezahlt 180,00 Euro je Arbeitsplatz und Jahr und zwischen 3 und 5% werden werden 105,00 Euro je Arbeitsplatz und Jahr bezahlt. Natürlich bezahlt man die Strafe nur für die Anzahl Arbeitsplätze, die in die 5% Grenze fällt. Für kleinere Betriebe mit 40 oder 60 Arbeitsplätzen gelten noch einmal verringerte Abgaben, wobei ich vermuten würde, dass die meisten Arbeitgeber ohnehin nicht mehr als 60 Arbeitsplätze in ihrem Betrieb haben. Insofern sind die Strafen tatsächlich sehr gering. Um noch einmal auf das Buch von RA Ebert zurückzukommen – kürzlich konnte ich auch einen Vortrag von ihm anhören – er schreibt, dass einem der Schwerbehindertenausweis dann etwas bringt, wenn man sich bei großen öffentlichen Arbeitgebern bewirbt. Also nicht in einem kleinen Dorf mit 5.000 Einwohnern, sondern bei Behörden von Großstädten, Landes- oder Bundesbehörden, Universitäten, etc. Dies deckt sich auch mit meiner Erfahrung. Dort kann man tatsächlich bevorzugt werden. Ich könnte mir auch vorstellen, dass einige große Arbeitgeber in der Privatwirtschaft Schwerbehinderte zu Prestige Zwecken beschäftigen, schließlich kann man dann sagen, „wir müssen keine Ausgleichsabgaben bezahlen, denn wir kommen unseren sozialen Verpflichtungen nach“. Allerdings ist nicht jeder Arbeitgeber ehrlich wenn er schreibt, „Schwerbehinderte werden bei gleicher Eignung bevorzugt“. So eine Wendung kann auch der Ausforschung dienen, schließlich bewegt man so die Bewerber ihre Schwerbehinderung auf den Tisch zu legen, ohne danach fragen zu müssen. Grundsätzlich ist das Thema Schwerbehinderung wirklich schwierig, leider kann man hier niemandem einen definitiven Rat geben, vermutlich hat man bei großen Arbeitgebern mit einer Schwerbehinderung eher erhöhte Chancen und bei kleinen Arbeitgebern eher niedrigere Chancen, wobei das auch immer relativ ist. Hat der Neffe des Chefs Diabetes und weiß er wie uneingeschränkt man damit arbeiten und leben kann, wird der Chef eine andere Sichtweise haben, als wenn er nur den typischen Typ-2er kennt, der sein Diabetes erst mit über 80 bekommen hat. So ging es mir mal, als ich mich um einen Studentenjob beworben habe. Ich habe in dem Personalfragebogen angegeben schwerbehindert zu sein und sagte dann der Personalchefin „das ist nur Diabetes, damit habe ich keine Einschränkungen“, worauf sie sagte, „ich habe auch Diabetes, Sie müssen hier während der Arbeit nur bitte häufiger Ihren Blutzucker messen“ und „Darf ich den Schichtleiter darauf hinweisen, falls Sie unterzuckern und Fremdhilfe benötigen“. So kann es also auch gehen; muss es aber nicht.
Jan hat deutsches und niederländisches Recht in Bremen, Oldenburg und Groningen studiert und ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht in einer Kanzlei für Medizin- und Sozialrecht in Bochum. Außerdem hat er eine Zusatzausbildung im Datenschutz (Datenschutzbeauftragter DSB-TÜV) gemacht. Schon während seines Studiums engagierte er sich ehrenamtlich im Bereich Diabetes, insbesondere zu Gunsten von Kindern und Jugendlichen, und hat die Selbsthilfeorganisation Deutsche Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes (DDH‑M) e. V. mitbegründet und aufgebaut. Er engagiert sich zudem in der Stiftung Stichting Blue Diabetes.