Steuerlich können Krankheitskosten grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 Abs. 1 EStG steuerlastmindernd in der Einkommensteuererklärung angegeben werden. Dies mindert grundsätzlich die Einkommensteuerlast; im besten Falle erhält man also zu viel eingezahlte Steuern zurück.
Außergewöhnliche Belastungen sind z. B. Kosten, die jemandem im Rahmen einer Erkrankung oder Behinderung entstehen. In § 33 Abs. 1 EStG sind diese wie folgt definiert.
Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung).
Diese anerkannte außergewöhnliche Belastung wird vollständig von dem steuerpflichtigen Einkommen abgezogen.
Beispiel: Phillip hat ein Einkommen 2015 von 50.000, er hat darüber hinaus für Medikamente und Rollstühle 2.000 als außergewöhnliche Belastung anerkennen lassen. Als steuerpflichtiges Einkommen gelten daher nur 48.000.
Allerdings muss diese Belastung „außergewöhnlich“ sein, d. h. eine sogenannte zumutbare Belastung wird jedem Steuerpflichtigen zugerechnet.
Beispiel: Angenommen Phillip hat für seinen Diabetes Krankheitskosten von EUR 2.000,00 im Jahr 2015 gehabt. Seine zumutbare Belastung beträgt EUR 1.500,00. Kosten von EUR 1.500,00 können in der Einkommensteuererklärung also nicht berücksichtigt werden. In diesem Fall würden trotz der hohen Kosten nur EUR 500,00 als Sonderausgaben berücksichtigt werden (Kosten – zumutbare Belastung = außergewöhnliche Belastung).
Die zumutbare Belastung ist für jeden unterschiedlich, generell aber verhältnismäßig hoch. Diese beträgt gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 EStG:
bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte |
bis EUR |
über EUR 15.340,00 bis EUR 51.130,00 |
über EUR 51.130,00 |
|
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1. | bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und | |||
unverheiratet sind | 5 % | 6 % | 7 % | |
verheiratete sind (mit Ehegattensplitting) | 4 % | 5 % | 6 % | |
2. | bei Steuerpflichtigen mit | |||
a) einem Kind oder zwei Kindern, | 2 % | 3 % | 4 % | |
b) drei oder mehr Kindern | 1 % | 1 % | 2 % |
Die Prozentzahlen stellen die Prozentsätze dar, die vom Einkommen als „zumutbare Belastung“ unberücksichtigt bleiben. Als Kinder zählen nur solche, für die ein Anspruch auf einen Kinderfreibetrag oder auf Kindergeld besteht (§ 33 Abs. 1 Satz 2 EStG). Das bedeutet ein Ehepaar mit einem Kind und einem Einkommen von EUR 50.000,00 hat für die ersten EUR 15.340,00 2 % und für die weiteren EUR 34.660,00 sogar 3 % als zumutbare Belastung, also EUR 1.346,00 jährlich. Krankheitskosten die also unter EUR 1.346,00 bleiben, bleiben gänzlich unberücksichtigt. Ab EUR 1.346,01 werden diese berücksichtigt, aber nur abzüglich der zumutbaren Belastung von EUR 1.346,00.
Die ist häufiger Gegenstand von Streitigkeiten. Der Bundesfinanzhof hat nun bestätigt, dass diese zumutbare Belastung, die nicht berücksichtigt wird rechtmäßig und insbesondere verfassungsmäßig ist (vgl. BFH, Urteil vom 02.09.2015 – VI R 32/13). Der BFH führt dazu aus:
[…] 15 3. Der erkennende Senat ist der Auffassung, dass der Ansatz der zumutbaren Belastung bei Krankheitskosten, auch soweit es um den Abzug von Zuzahlungen geht, von Verfassungs wegen hinzunehmen ist. Die Bemessung des einkommensteuerrechtlich maßgeblichen Existenzminimums richtet sich grundsätzlich nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau. Auch Sozialhilfeempfänger haben jedoch Zuzahlungen zu leisten. Daher ist eine Differenzierung zwischen Krankheitskosten und anderen als außergewöhnliche Belastungen abziehbaren Aufwendungen beim Ansatz der zumutbaren Belastung verfassungsrechtlich nicht geboten. 16 a) Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des BVerfG ist Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Beurteilung, ob eine einkommensteuerrechtliche Regelung Aufwendungen des Steuerpflichtigen aus dem Bereich der privaten Lebensführung hinreichend berücksichtigt, das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums, das aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) abzuleiten ist. Danach hat der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt. Dem Grundgedanken der Subsidiarität, wonach Eigenversorgung Vorrang vor staatlicher Fürsorge hat, entspricht es, dass sich die Bemessung des einkommensteuerrechtlich maßgeblichen Existenzminimums nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau richtet. Was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen hat, das darf er ihm nicht durch Besteuerung seines Einkommens entziehen (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 120, 125; vom 29. Mai 1990 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653; jeweils m.w.N.). 17 b) Zu diesem einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimum gehören grundsätzlich auch die Aufwendungen des Steuerpflichtigen für die Kranken- und Pflegeversorgung. Denn das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums schützt nicht nur das sogenannte sächliche Existenzminimum für Nahrung, Kleidung, Hygiene, Hausrat, Wohnung und Heizung. […] (vgl. BFH, Urteil vom 02.09.2015 – VI R 32/13).
Auf dem Urteil ruhten einige Hoffnungen von Menschen, die Aufwendungen für ihre Krankheit tragen (müssen), die nicht von der Krankenkasse bezahlt werden. Leider hat der Bundesfinanzhof diese Hoffnungen enttäuscht. Es ist anzunehmen, dass das Thema damit auf absehbare Zeit erledigt ist. Denn auch politisch scheint kein Interesse daran zu bestehen, die „zumutbare Belastung“ abzuschaffen. Leider.
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Jan hat deutsches und niederländisches Recht in Bremen, Oldenburg und Groningen studiert und ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht in einer Kanzlei für Medizin- und Sozialrecht in Bochum. Außerdem hat er eine Zusatzausbildung im Datenschutz (Datenschutzbeauftragter DSB-TÜV) gemacht. Schon während seines Studiums engagierte er sich ehrenamtlich im Bereich Diabetes, insbesondere zu Gunsten von Kindern und Jugendlichen, und hat die Selbsthilfeorganisation Deutsche Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes (DDH‑M) e. V. mitbegründet und aufgebaut. Er engagiert sich zudem in der Stiftung Stichting Blue Diabetes.