Pau­scha­le Benach­tei­li­gung von Schwer­be­hin­der­ten bei einer Abfin­dung ist diskriminierend

Eine Rege­lung in einem Sozi­al­plan, mit dem Inhalt, dass schwer­be­hin­der­te Arbeit­neh­mer, die einen Anspruch auf eine Ren­te haben, eine gerin­ge­re Abfin­dung erhal­ten, ist rechts­wid­rig. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat ent­schie­den, dass eine sol­che Rege­lung Men­schen mit dem Merk­mal Schwer­be­hin­de­rung dis­kri­mi­niert. Des­we­gen darf die Rege­lung auf die­se Per­so­nen­grup­pe nicht ange­wen­det wer­den. In dem Streit­fall hät­te ein Arbeit­neh­mer nach der Rege­lung des Sozi­al­plans eine indi­vi­du­ell berech­ne­te Abfin­dung in Höhe von EUR 64.558 erhal­ten. Auf­grund sei­ner Schwer­be­hin­de­rung erhielt er ledig­lich pau­schal EUR 10.000 aus­ge­zahlt. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat die Arbeit­ge­be­rin ver­ur­teilt, eine höhe­re Abfin­dung zu zahlen.

Eine unmit­tel­bar an das Merk­mal der Behin­de­rung knüp­fen­de Bemes­sung einer Sozi­al­plan­ab­fin­dung ist unwirk­sam, wenn sie schwer­be­hin­der­te Arbeit­neh­mer gegen­über ande­ren Arbeit­neh­mern, die in glei­cher Wei­se wie sie von einem sozi­al­plan­pflich­ti­gen Arbeits­platz­ver­lust betrof­fen sind, schlech­ter stellt (vgl. BAG, Urteil vom 17. Novem­ber 20151 AZR 938/13, Pres­se­mit­tei­lung Nr. 56/15).

Eine unmit­tel­bar an das Merk­mal der Behin­de­rung knüp­fen­de Bemes­sung einer Sozi­al­plan­ab­fin­dung ist unwirk­sam, wenn sie schwer­be­hin­der­te Arbeit­neh­mer gegen­über ande­ren Arbeit­neh­mern, die in glei­cher Wei­se wie sie von einem sozi­al­plan­pflich­ti­gen Arbeits­platz­ver­lust betrof­fen sind, schlech­ter stellt (vgl. BAG, Urteil vom 17. Novem­ber 20151 AZR 938/13, Pres­se­mit­tei­lung Nr. 56/15).

Arbeit­ge­ber, die regel­mä­ßig mehr als 10 Arbeit­neh­mer beschäf­ti­gen, kön­nen Arbeit­neh­mer nicht frei kün­di­gen, son­dern benö­ti­gen einen gesetz­li­chen Kün­di­gungs­grund. Das Gesetz sieht als Kün­di­gungs­grün­de eine betriebs­be­ding­te Kün­di­gung (bei­spiels­wei­se eine nied­ri­ge Auf­trags­la­ge), per­so­nen­be­ding­te Kün­di­gungs­grün­de (bei­spiels­wei­se eine lang­an­dau­ern­de Krank­heit mit nega­ti­ver Zukunfts­pro­gno­se) und ver­hal­tens­be­ding­te Kün­di­gungs­grün­de (Belei­di­gun­gen, beharr­li­ches Zuspät­kom­men) vor. Sofern ein Betriebs­rat exis­tiert, ist die­ser vor einer Kün­di­gung anzu­hö­ren. Im Fal­le einer betriebs­be­ding­ten Kün­di­gung (wie wohl in die­sem Fall) wird dann ein Sozi­al­plan mit dem Betriebs­rat erstellt. Der Sozi­al­plan regelt (meis­tens nach einem Punk­te­sys­tem) wel­cher Arbeit­neh­mer gekün­digt wird (Sozi­al­punk­te gibt es dann für eine Fami­lie, die lang­jäh­ri­ge Zuge­hö­rig­keit zum Unter­neh­men sowie eine Schwer­be­hin­de­rung, der­je­ni­ge mit den gerings­ten Sozi­al­punk­ten wird zuerst gekün­digt). Außer­dem regeln die Sozi­al­plä­ne häu­fig die Höhe und die Anspruch­vor­aus­set­zun­gen für Abfin­dun­gen, sofern eine sol­che gezahlt wer­den soll.

In die­sem Fall regel­te der Sozi­al­plan, dass die Arbeit­neh­mer eine indi­vi­du­ell zu berech­nen­de Abfin­dung erhal­ten. Die­se war jedoch bei soge­nann­ten ren­ten­na­hen Jahr­gän­gen, also bei Per­so­nen die kurz vor Ren­ten­be­ginn ste­hen, auf EUR 40.000 begrenzt. Schwer­be­hin­der­te, die durch die Schwer­be­hin­de­rung und die Been­di­gung des Arbeits­ver­hält­nis­ses eine Ren­te erhal­ten kön­nen, waren von der indi­vi­du­el­len Berech­nung aus­ge­nom­men und soll­ten Pau­schal EUR 10.000 plus einen Zusatz­be­trag von EUR 1.000 erhalten.

Ein schwer­be­hin­der­ter Arbeit­neh­mer, der zum 31. März 2012 gekün­digt wur­de, sah sich durch die­se Rege­lung wegen sei­ner Schwer­be­hin­de­rung dis­kri­mi­niert. Er war zum Zeit­punkt der Been­di­gung des Arbeits­er­hält­nis­ses 60 Jah­re alt und bereits 32 Jah­re bei der Arbeit­ge­be­rin beschäf­tigt. Er berech­ne­te die ihm zuste­hen­de indi­vi­du­el­le Abfin­dung auf EUR 64.558, wobei die­se auf­grund sei­nes Alters auf EUR 40.000 zu kür­zen war. Die Arbeit­ge­be­rin zahl­te ihm wegen der Schwer­be­hin­de­rung aller­dings nur EUR 10.000 aus. Er klag­te auf Zah­lung wei­te­rer EUR 30.000. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt – wie auch die Vor­in­stan­zen – gaben dem Schwer­be­hin­der­ten Arbeit­neh­mer recht.

Dif­fe­ren­ziert ein Sozi­al­plan für die Berech­nung einer Abfin­dung zwi­schen unter­schied­li­chen Arbeit­neh­mer­grup­pen, hat ein damit ein­her­ge­hen­der Sys­tem­wech­sel die Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bo­te des All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­set­zes (AGG) zu beach­ten. In der Rege­lung über den pau­scha­lier­ten Abfin­dungs­be­trag für Arbeit­neh­mer, die wegen ihrer Schwer­be­hin­de­rung ren­ten­be­rech­tigt sind, liegt eine unmit­tel­bar an das Merk­mal der Behin­de­rung knüp­fen­de Ungleich­be­hand­lung. Die­se benach­tei­ligt behin­der­te Arbeit­neh­mer, denen nach einer für nicht schwer­be­hin­der­te Arbeit­neh­mer gel­ten­den Berech­nungs­for­mel ein höhe­rer Abfin­dungs­be­trag zuste­hen wür­de. Sie darf gemäß § 7 Abs. 2 AGG ihnen gegen­über nicht ange­wen­det wer­den (vgl. BAG, Urteil vom 17. Novem­ber 20151 AZR 938/13, Pres­se­mit­tei­lung Nr. 56/15).

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt ver­tritt die Rechts­auf­fas­sung, dass eine pau­scha­le Abfin­dung für schwer­be­hin­der­te Arbeit­neh­mer, die wegen der Schwer­be­hin­de­rung ren­ten­be­rech­tigt sind, eine Dis­kri­mi­nie­rung dar­stellt. Eine sol­che Dis­kri­mi­nie­rung dis­kri­mi­niert Schwer­be­hin­der­te gegen­über nicht schwer­be­hin­der­ten Arbeit­neh­mern. Denn wäre der kla­gen­de Arbeit­neh­mer anders als in die­sem Fall nicht schwer­be­hin­dert und den­noch ren­ten­be­rech­tigt, hät­te er die vol­le Abfin­dung in Höhe von EUR 40.000 erhal­ten. Eine Recht­fer­ti­gung für die­se Dis­kri­mi­nie­rung sieht das Bun­des­ar­beits­ge­richt nicht. Aus die­sem Grund dür­fe die Rege­lung nicht bei die­sen Arbeit­neh­mern nicht ange­wen­det wer­den. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hielt daher auch fol­ge­rich­tig die Ver­ur­tei­lung der Arbeit­ge­be­rin zur Zah­lung von wei­te­ren EUR 30.000 aus den Vor­in­stan­zen aufrecht.

Das Urteil ist bis­her nicht im Voll­text ver­öf­fent­licht. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat ledig­lich die Pres­se­mit­tei­lung Nr. 56/15 vom 17. Novem­ber 2015 her­aus­ge­ge­ben, daher sind die Details des Ent­schei­dung (ins­be­son­de­re die wei­te­ren Ent­schei­dungs­grün­de) bis­her unbe­kannt. Das Urteil ist aller­dings rechtskräftig.

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